Der dunkle Thron
glockenhellem Gelächter. Francis schlief. Er schien kaum je etwas anderes zu tun, und man hörte ihn niemals schreien.
Die Sonne neigte sich allmählich gen Westen, als sie am Fuß eines sachten Hügels die Abzweigung nach Waringham erreichten. Nick pfiff durch die Zähne und rief: »Das ist weit genug!«
Der Wagen hielt an.
Nick saß ab und fischte eine Münze aus der bestickten Börse an seinem Gürtel. »Hier.« Er reichte dem rothaarigen Bauernjungen auf dem Bock seinen Lohn. »Du kannst umkehren, dann bist du vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause.«
»Danke, Mylord. Aber ich hätte so gern Eure Burg gesehen.«
Nick lächelte flüchtig und schüttelte den Kopf. »Mach auf dem Rückweg halt in Rochester. Die Burg dort ist viel größer.«
Er hob Eleanor von der Ladefläche, setzte sie auf seinen rechten Arm und streckte Polly die freie Hand entgegen. Sie nahm Francis auf und ließ sich herunterhelfen. »Warum schickst du den Wagen weg?«, fragte sie.
»Ich will ein Stück laufen. Es ist ja nicht weit. Ihr drei könnt reiten.«
»Nein, nimm mich auf die Schultern, Vater«, verlangte Eleanor.
Während der Wagen wendete und davonrollte, half Nick Polly auf Orsinos Rücken, reichte ihr Francis hinauf und wandte sich dann an seine Tochter. Er stützte die Hände auf die Oberschenkel und neigte sich zu ihr herab. »Du willst auf meinen Schultern reiten, Krümel?«
Große, kornblumenblaue Augen schauten ihn unverwandt an. Eleanor nickte ernst.
Sie war ein hinreißendes Kind, und er musste lächeln. »Dann sag ›bitte‹.«
»Bittebittebitte.«
Er hob sie auf die Schultern, und als er Orsino am Zügel nahm, erwischte er Polly dabei, dass sie sich verstohlen eine Träne von der Wange wischte. Er tat, als hätte er es nicht bemerkt, und schlug den Pfad ein, der hügelan nach Waringham führte.
Überall auf den Feldern waren die Bauern bei der Ernte. Mit geübten, gleichmäßigen Streichen ließen sie die Sensen durch das reife Korn fahren, und die Frauen und Kinder folgten ihnen, hoben die gemähten Büschel auf und banden sie zu Garben. Nick atmete tief durch. Der Duft und der Anblick des gemähten Korns betörten ihn, und das friedvolle Bild tat ihm gut.
Als die Bauern ihn kommen sahen, warfen sie die Sensen indes achtlos beiseite und liefen zum Pfad. »Mylord! Willkommen daheim!«
»Danke, Edwin.«
»Wo habt Ihr nur gesteckt? Wir hatten Euch schon fast aufgegeben …«
»Das ist eine lange Geschichte, Martha. Am Sonntag komme ich ins Dorf zum Kirchgang und erzähle sie euch.« Zumindest das, was ihr wissen müsst, fügte er in Gedanken hinzu.
»Stellt Euch vor, Mylord, Vater Ranulf ist fort«, berichtete Adam, der aufgeregt neben ihm einherlief. »Wir haben hier im Moment niemanden, der uns die Messe hält und die Kinder tauft und so weiter.«
Das war keine unwillkommene, aber eine seltsame Neuigkeit. Nick gedachte jedoch nicht, sie mit den Leuten zu erörtern, ehe er mit Laura und Philipp gesprochen hatte. »Adam«, grüßte er stattdessen. »Wie geht es deinem Vater?«
»Den haben wir am Donnerstag nach Pfingsten beerdigt, Mylord«, antwortete der junge Mann ohne Anzeichen von Trauer.
»Das tut mir leid«, erwiderte Nick dennoch.
Adam hob vielsagend die Schultern. »Der letzte Branntwein war wohl einer zuviel. Jetzt haben wir endlich Frieden im Haus, und ich heirate im Herbst meine Stiefmutter.«
Das war verboten, wusste Nick. Und zweifellos wusste Adam es auch. Der Papst mochte seine Autorität in England verloren haben, aber Nick wollte verdammt sein, wenn deswegen in Waringham die Kirchengesetze missachtet wurden. Aber auch dafür war jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt, und er beschränkte sich auf ein unverbindliches Lächeln.
Er hatte sich gefragt, wie es sich anfühlen würde, seinen Bauern zu begegnen und sie ehrfürchtig ihre Kappen ziehen zu sehen, nachdem er sich zwei Jahre als Knecht ausgegeben hatte. Die Antwort war: Es fühlte sich vollkommen natürlich an. Seine Darbietung als Stallbursche war eine Verstellung gewesen, und sie hatte weder ihn selbst verändert noch seinen Blick auf die Welt.
»Habt Dank für euer Willkommen«, sagte er in die Runde. »Aber ich an eurer Stelle würde mich wieder an die Arbeit machen. Ich könnte wetten, dass es heute noch ein Gewitter gibt.«
Sie nickten bereitwillig und verbeugten sich, ehe sie kehrtmachten – nicht ohne Polly neugierige Blicke zuzuwerfen. Nick war nicht entgangen, dass niemand sie begrüßt hatte.
Er sah zu ihr hoch und
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