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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Platz zu nehmen, und setzte sich ihm gegenüber. »Es ist furchtbar, Mylord. Furchtbar. Cromwells Kommissare haben uns Zeit bis Anfang Oktober gegeben, dann müssen wir das Haus räumen. Genau wie alle anderen Klöster – egal welchen Ordens und ganz gleich ob von Brüdern oder Schwestern bewohnt –, deren Jahreseinkommen unter zweihundert Pfund liegt.« Er schaute auf.
    Nick glaubte, einen unausgesprochenen Vorwurf in dem Blick zu lesen, denn vor dem Verlust der Ländereien hatten die jährlichen Einkünfte von St. Thomas weit über dieser Summe gelegen. Er erwiderte jedoch lediglich: »Die großen Häuser werden folgen, Vater. Wir sollten uns keine Illusionen machen. Cromwell ist nicht dafür bekannt, dass er sich mit kleinen Fischen zufrieden gibt. Dies ist nur der erste Schritt.«
    »Das fürchte ich auch«, gestand der Abt.
    »Was wird aus den Brüdern? Wo sollen sie hin?«
    Abt Hugo hob vielsagend die Schultern. »Sie können in ein Kloster in Schottland oder auf dem Kontinent gehen oder in die Welt zurückkehren, der sie entsagt haben. Das wird vor allem für die älteren Brüder schwer. Aber offen gestanden, wir Mönche haben noch Glück, Mylord. Wir bekommen eine Pension und müssen nicht betteln gehen. Aber was soll aus den Laienbrüdern und unseren Bediensteten werden? Was aus den Reisenden, den Kranken und Armen? Fragt Master Cromwell, vielleicht weiß der es.«
    Nein, lieber nicht, dachte Nick. Er stellte seinen Becher ab und stand auf. »Ich brauche einen Hauskaplan in Waringham. Sagt denjenigen unter den Brüdern, die die Priesterweihe empfangen haben, sie können zu mir kommen und sich um den Posten bewerben. Vielleicht nehme ich einen von ihnen.«
    »Sie sollen es erfahren«, antwortete der Abt, aber seine Miene sagte, dass ein Mönch von St. Thomas, der auf sich hielt, wohl lieber Rattenfänger oder Güllner würde als Hauskaplan in Waringham.
    »Ich bin eigentlich gekommen, um meine Frau und meine Kinder abzuholen, Vater.«
    Der Abt fiel aus allen Wolken. »Lady Waringham? Ich fürchte, sie ist nicht hier.«
    »Vermutlich hat sie nicht gesagt, wer sie ist. Sie war die Milchamme der kleinen Prinzessin. Als ich verhaftet wurde, floh sie hierher. Mit meiner dreijährigen Tochter und meinem Sohn, der noch in den Windeln liegt.«
    Abt Hugo war schon wieder sprachlos. Dann fasste er sich. »Sie ist … Eure Frau?«
    »So ist es, Vater. Ihr werdet mir sicher zustimmen, wenn ich sage, die Waringham haben genug Bastarde in die Welt gesetzt, nicht wahr?«
    Die Miene des Abtes wurde säuerlich. »Ich nehme an, ihr findet sie bei der Arbeit im Kräutergarten.«
    Er hatte recht.
    Polly hockte im Schatten des Kapitelsaals in einem vertrockneten Beet und schnitt Lavendelblüten, die sie in einem kleinen Weidenkorb sammelte. Sie hatte die widerspenstigen Kringellocken mit einem weißen Kopftuch gebändigt, unter dem sie üppig hervorwallten, und die Ärmel des etwas fadenscheinigen, rotbraunen Kleides bis über die Ellbogen geschoben.
    Nick beobachtete sie einen Moment mit zur Seite geneigtem Kopf. Sie sah hinreißend auf. Anziehend. Erleichtert stellte er fest, dass er sich freute, sie zu sehen.
    »Polly.«
    Sie fuhr herum, und als sie ihn entdeckte, warf sie die kleine Schere achtlos in den Korb, sprang auf die Füße und fiel ihm um den Hals. »Oh, Nick …«
    Er legte einen Moment die Arme um sie. Sie roch nach Sonne und Lavendel.
    »Ich dachte, wir würden dich nie wiedersehen«, murmelte sie undeutlich, den Mund auf seine Schulter gedrückt.
    Er legte einen Finger unter ihr Kinn, hob ihr Gesicht und küsste sie sittsam auf die Stirn, weil sie sich hier immerhin in einem Kloster befanden. »Ja, eine Weile sah es finster aus«, räumte er ein. »Aber hier bin ich. Sind die Kinder gesund?«
    Sie lächelte und nickte.
    »Dann lass sie uns holen und nach Hause gehen.«

Waringham, Juli 1536
    Nick hatte in Curn, wo die Pächter von St. Thomas lebten, einen Wagen für Polly und die Kinder gemietet und einen jungen Burschen, der ihn lenkte. Gemächlich rollte das Gefährt zwischen Weiden und Kornfeldern die königliche Straße entlang, und Nick folgte ihm auf Orsino. Er hielt ein gutes Stück Abstand, denn nach der langen Trockenheit wirbelte der Wagen eine ordentliche Staubwolke auf, doch Nick war ihm nahe genug, um Polly zu hören, die ihre Brut mit einem offenbar unerschöpflichen Schatz an Kinderliedern bei Laune hielt. Sie hatte eine hübsche Stimme, und Eleanor würdigte ihren Vortrag mit

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