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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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vergessen, was sie waren. Danach hatte kein Waringham mehr das klösterliche Internat besucht, welches aufgrund der zunehmenden Verarmung der Abtei vor rund zehn Jahren geschlossen worden war.
    Auch jetzt waren die Spuren des Niedergangs überall sichtbar, stellte Nick fest, als er den Innenhof auf dem Weg zum Gästehaus überquerte. Drei der Glasfenster im südlichen Seitenschiff der Kirche waren zerbrochen. Das Kirchengemäuer bröckelte hier und da. Das Gästehaus und die hölzernen Wirtschaftsgebäude hätten dringend neue Strohdächer gebraucht. Das galt auch für das traditionell bescheidene Wohnhaus des Abtes, vor dem sich eine Menschentraube gebildet hatte.
    Neugierig trat Nick näher und erkannte, dass es sich um die Bauern handelte, die er auf den Feldern vermisst hatte.
    »Ihr könnt nicht erwarten, dass wir Euch Pacht zahlen, wenn wir gar nicht wissen, ob Ihr zu Michaelis noch hier seid, ehrwürdiger Vater«, rief einer – offenbar der Wortführer. Die anderen murmelten zustimmend.
    »Das soll eure Sorge nicht sein«, bekam er zur Antwort. Hugo Selby, der Abt von St. Thomas, war ein magerer Asket mit einer beängstigenden Adlernase – die fleischgewordene Widerlegung der vielen Holzschnitte, die alle Mönche als feist und faul darstellten –, und in seiner Stimme schwang Autorität. »Was immer geschieht, ob wir bleiben oder unser Land in weltliche Hände übergeht, wir werden über jeden Penny eurer Pacht genau Buch führen und Rechenschaft ablegen. Ihr habt mein Wort, dass ihr weder bei der Pacht noch beim Zehnten betrogen werdet.«
    »Das wäre das erste Mal, ehrwürdiger Vater«, konterte der respektlose Wortführer. Dieses Mal erntete er Gelächter.
    Dem Abt stieg die Zornesröte in die Wangen – oder war es Scham? –, und er drohte den Bauern mit erhobenem Zeigefinger: »Schert euch zurück an die Arbeit. Wer die ungewisse Lage missbraucht, um seine Pacht zurückzuhalten, den lass ich von seiner Scholle jagen, und wenn es das Letzte ist, was ich hier tue!«
    Die Männer murrten und sprachen aufgebracht untereinander, aber schon wandten die hinteren sich ab und schlichen mit schuldbewussten Blicken auf ihre Kameraden davon.
    »Falls Ihr noch könnt«, gab der junge Anführer zurück.
    Der Abt machte einen Schritt auf ihn zu. »Ich sagte, du sollst zurück an die Arbeit gehen, Luke Fransham. Noch ein Wort von dir, und ich sorge dafür, dass du exkommuniziert wirst.«
    Luke verschränkte die sonnengebräunten Arme vor der Brust. »Das ist mir egal, Mönchlein. Ich bin Reformer, und du machst mir keine Angst mehr.« Er spuckte dem Abt vor die Füße.
    Die wenigen Mutigen, die noch bei ihm standen, zogen erschrocken die Luft ein.
    Abt Hugo war sprachlos.
    Der Bauer nickte zufrieden, machte auf dem Absatz kehrt und winkte seinen Kameraden, ihm zu folgen. »Kommt, Freunde. Kümmern wir uns um unsere Ernte.«
    Nick wartete, bis sie ihn passiert hatten, dann ging er zum Haus des Abtes hinüber, blieb vor dem immer noch schreckensstarren Hugo stehen und deutete eine Verbeugung an. »Ehrwürdiger Vater.«
    Der wandte den Kopf und nahm seinen Besucher jetzt erst zur Kenntnis. »Lord Waringham? Du meine Güte. Ihr wart ein Knabe, als ich Euch zuletzt gesehen habe.«
    Nick wusste nie, was er auf diese wenig geistreiche Bemerkung erwidern sollte, und beschränkte sich auf ein höfliches Lächeln.
    Abt Hugo erwiderte es mit ungewohnter Wärme. »Aber es waren nicht die Taten eines Knaben, von denen man gehört hat«, fuhr er fort. »Mit großer Genugtuung haben wir erfahren, dass Ihr nicht den Weg der Ketzerei eingeschlagen habt wie Euer Vater, sondern Euer Leben aufs Spiel gesetzt habt, um die rechtmäßige Königin, ihre Tochter und den wahren Glauben gegen die Gottlosen zu verteidigen.«
    Nick unterdrückte eine schmerzliche Grimasse. »Ich fürchte, Ihr überschätzt meinen Eifer bei der Verteidigung des wahren Glaubens, Vater.«
    Doch Abt Hugo hob gebieterisch die Hand. »Was immer Eure Beweggründe waren, Ihr habt vielen Mut gemacht. Wir haben jeden Tag für Euch gebetet, Mylord.«
    »Das war sehr gütig, Vater.«
    »Tretet ein«, lud der Abt ihn ein, legte ihm die Hand auf den Arm und führte ihn in seine Kate. »Ein Schluck Wein? Ihr müsst durstig sein. Staubig und heiß auf der Straße.«
    »Das ist wahr.« Dankbar nahm er den Becher, den Hugo ihm vollschenkte, und trank. »Habe ich das recht verstanden? St. Thomas soll aufgelöst werden?«
    Hugo seufzte, lud ihn mit einer Geste ein, am Tisch

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