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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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weitermachen können. Ich schätze, viel mehr durften wir nicht erwarten.«
    Es war eine Weile still. Schließlich ergriff Laura seine rechte Hand und sagte: »Du hast Gott nicht angelogen, Nick. Er kann in dein Herz sehen und weiß, warum du den Eid auf die Thronfolge und das Supremat geleistet hast. Das heißt, du hast auch deine Ehre nicht verloren. Es gibt also eine Menge Dinge, mit denen du weitermachen kannst. Komm erst einmal richtig nach Hause. Kümmre dich um dein Gestüt und um Waringham. Vergiss den König und den Hof, und in ein paar Tagen wird die Welt schon wieder ganz anders aussehen, wart’s nur ab. Aber eins solltest du auf keinen Fall tun, Bruder: Du darfst nicht geringschätzen, was Gott dir geschenkt hat. Polly mag von niederem Stand sein, aber sie ist eine großartige Frau. Und der kleine … wie heißt er denn eigentlich?«
    »Francis.«
    »Der kleine Francis ist wie weiche Tonerde; du kannst ihn formen. Ob ein Edelmann aus ihm wird, liegt allein bei dir.«
    Er nickte, obwohl er ihr kein Wort glaubte, befreite seine Hand und stand auf. Er trat ans Fenster. Das Abendlicht hatte einen eigentümlichen Messington angenommen, und als Nick in den Rosengarten hinabschaute, erschien das Rot und Gelb der Blüten ihm grell.
    In der Ferne grollte Donner.

Dritter Teil
1540–1547

London, Mai 1540
    Es war viel zu heiß für einen Frühlingstag. Nick hielt im Schatten der Martinus-Kirche in der Vintry an, nahm das Barett ab und fächelte sich ein wenig Luft damit zu. Ströme von Menschen waren auf der Thames Street unterwegs, und jetzt hatten sie sich offenbar so ineinander verkeilt, dass es nicht weiterging.
    »Was ist denn los?«, rief er einem jungen Burschen zu, den Kleidern nach ein Handwerkslehrling, der allenthalben in die Höhe sprang, um einen Blick auf die Ereignisse weiter vorn zu erhaschen.
    »Doktor Heddyng und Doktor Prescote«, antwortete der Bengel.
    »Was ist mit ihnen?«, fragte Nick. »Streiten sie auf der Straße?«
    Heddyng war ein berühmter konservativer Theologe, Prescote ein nicht minder berühmter Reformer, und es war allgemein bekannt, dass sie einander hassten wie der Teufel das Weihwasser.
    Der Junge schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ihr wisst es nicht? Wo habt Ihr gesteckt, Mylord? Unter den Röcken Eurer Prinzessin?«
    Nick hob drohend die Faust. »Nimm dich ja in Acht, Söhnchen …« Aber er hatte Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen. Die Unverfrorenheit der Londoner hörte nie auf, ihn zu amüsieren.
    »Sie sind verurteilt, alle beide, Mylord«, eröffnete der junge Bursche ihm. »Heddyng, weil er gesagt hat, wir müssten doch alle dem Papst gehorchen. Prescote, weil er gesagt hat, der Leib des Herrn sei gar nicht so richtig der Leib des Herrn. Oder vielleicht war’s auch umgekehrt. Wer weiß das schon?«
    Tja, wer wusste heutzutage überhaupt noch, was der rechte Glaube war?
    »Und nun?«, wollte Nick wissen.
    »Nun werden sie Seite an Seite nach Tyburn geschleift, und da liegen sie auf ihrem Gerüst, beide von Kopf bis Fuß voll Straßendreck und Pferdescheiße, und zanken wie die Fischweiber. Das müsst Ihr Euch ansehen! Der eine wird ausgeweidet und gevierteilt, der andere verbrannt. Ich hab vergessen, welchem was blüht. Jedenfalls krepiert der eine vor den Augen des anderen, damit sie endlich alle lernen, dass allein unser König in Glaubenssachen was zu sagen hat.«
    »Verstehe.« Nick verschränkte die Hände auf dem Sattelknauf, wartete ohne besondere Ungeduld, dass es auf der Straße weiterging, und sah sich derweil um. Ein Blinder und ein altes Weib in Lumpen bettelten bei den Schaulustigen um Almosen. Ein hagerer Kerl in einer Kutte, der vielleicht einmal ein Laienbruder in einem mittlerweile aufgelösten Kloster gewesen war und vielleicht auch nicht, fädelte sich durch die Menge und betätigte sich mit einigem Geschick als Beutelschneider. Ehe Nick die versammelten Gaffer warnen konnte, merkte der Dieb, dass er beobachtet wurde, und machte sich unsichtbar.
    Endlich setzte die Menge sich wieder in Bewegung. Nick hatte indes kein Bedürfnis, die beiden todgeweihten Gelehrten zu sehen, und er folgte der schaurigen Prozession nicht Richtung Newgate, sondern bog bei erster Gelegenheit rechts ab und die nächste links in die Old Fish Street.
    Das Tor des ehemaligen Franziskanerklosters war geschlossen, aber nicht versperrt. Nick saß ab, öffnete den linken Flügel und führte Orsino am Zügel in den grasbewachsenen Hof. Er band sein Pferd an einen Eisenring

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