Der dunkle Thron
Gouvernante angemessen –, doch der Ton spiegelte exakt die Farbe ihrer Augen wider. Das feine Leinen war in sich gemustert, dezent, aber elegant, und die passende französische Haube saß tadellos und stand ihr hervorragend.
»Danke.« Polly lächelte und hielt seine Hand noch einen Moment fest. »Geht es dir gut? Und allen anderen zu Hause?«
»Bestens«, versicherte er, so wie er es immer tat, auch dann, wenn es nicht stimmte.
»Ladys und Gentlemen, es gibt kein Essen, ehe die Aufgaben fertig sind«, beschied der Schulmeister. »Darum schlage ich vor, ihr macht euch wieder an die Arbeit.«
»Ich bin fertig«, antworteten Elizabeth und Eleanor im Chor.
»Dann begleitet mich in den Garten und erklärt mir, was um Himmels willen das für seltsame Vögel sind, die ich dort draußen auf dem Weiher schwimmen sehe.« Nick wies aus einem der großen Fenster.
»Pelikane«, belehrte Elizabeth ihn und blies sich eine rote Haarsträhne aus der Stirn.
»Wie bitte?«
»Sie heißen Pelikane«, wiederholte die einstige Prinzessin untypisch geduldig. »Sie kommen aus der Neuen Welt.«
»Ist das wahr? Kommt, zeigt sie mir. Wenn Ihr gestattet, Doktor Cox?« bat er den Lehrer höflich auf Latein.
Der nickte unwillig. »Meinetwegen.«
Selig nahmen die beiden Mädchen ihn jede bei einer Hand und entführten ihn in den Park.
Das Essen, welches am späten Nachmittag in der kleinen, behaglichen Halle von Hatfield Palace eingenommen wurde, gestaltete sich lebhafter als üblich, weil Elizabeth, Eleanor und Robin Dudley daran teilnahmen. Normalerweise aßen die Kinder unter der Aufsicht einer Gouvernante in der Kinderstube, doch Lord Sidney, der Chamberlain, bestand darauf, dass sie gelegentlich an die Tafel kamen, damit sie höfische Tischsitten lernten.
»Wo ist denn dein Graf, Schwester?«, fragte Elizabeth, die an Marys linker Seite saß.
»Er ist nicht mein Graf, Elizabeth«, stellte Mary ein wenig verdrossen klar.
»Richtigerweise sollte Eure Frage lauten: ›Wo sind denn Seine Gnaden, Pfalzgraf Philipp bei Rhein von Pfalz-Neuburg‹«, belehrte Richard Cox, der Schulmeister, das kleine Mädchen.
Elizabeth verdrehte die Augen und tauschte einen beredten Blick mit Eleanor, ehe sie artig wiederholte: »Wo sind denn Seine Gnaden, Pfalzgraf Philipp … Dingsda?«
Mary lächelte ihr verschwörerisch zu. »Pfalzgraf Philipp Dingsda musste leider zurück nach London reiten, um die Hansekaufleute anzubetteln, weil er wieder einmal abgebrannt ist. Er wird uns wohl erst nächste Woche wieder mit seiner Gegenwart erfreuen.«
Elizabeth klimperte mit den langen Wimpern. »Ooh, wie überaus betrüblich.« Sie hob das kostbare venezianische Weinglas und spreizte in übertriebener Vornehmheit den kleinen Finger ab, während sie trank.
Alle lachten, nur Lord Sidney runzelte die Stirn. »Lady Elizabeth, Ihr seid nicht an die Tafel gebeten worden, um Possen zu reißen. Dafür haben wir einen Narren.«
»Dann schickt nach ihm!«, schlug Robin Dudley vor, und seine dunklen Augen leuchteten auf.
»Nichts da«, gab Sidney zurück. »Wie Doktor Cox mir berichtet, hast du heute wieder einmal alles andere als Belohnung für deine Taten verdient, junger Mann.«
Robin hatte sichtlich Mühe, sich eine freche Grimasse zu verkneifen. Er wandte sich an Nick: »Was ist nun, Mylord? Habt Ihr Euren verrückten Andalusier mitgebracht?«
Nick schüttelte den Kopf. »Er ist noch zu jung, um ihn zu reiten, Robin.«
»Ein Zweijähriger?«
»Genau. Und er ist der bockigste Gaul, der mir je untergekommen ist, darum bin ich keineswegs sicher, ob es nicht vielleicht einfach noch zu früh für ihn ist und ich ihn den Sommer über auf der Weide stehen lassen sollte. Es ist das erste Mal, dass ich einen Andalusier ausbilde, darum habe ich noch keine Erfahrungen.«
»Hat er Euch wieder abgeworfen?«
»Wenigstens zwei Dutzend Mal.«
»Und verprügelt Ihr ihn, wenn er das macht?«
»Niemals. Er tut nur, was seiner Natur entspricht. Mit Prügeln kann man ihm nichts beibringen, nur mit Geduld und Nachsicht.«
»Dann haben Eure Rösser ein besseres Leben als Doktor Cox’ Schüler, Mylord«, stellte Robin Dudley trocken fest. »Ich tue auch nur, was meiner Natur entspricht, doch diese Entschuldigung hat mich noch nie gerettet.«
»Weil du im Gegensatz zu meinem Andalusier einen Verstand besitzt, an den man appellieren und Ansprüche stellen kann, Robin«, erklärte Nick.
»Und der doch ständig angezweifelt wird«, konterte der Junge schlagfertig.
Alle
Weitere Kostenlose Bücher