Der dunkle Thron
lassen, bis der anfing, alle verräterischen Pläne zu gestehen, die Cromwell ihm in den Mund legte.
»Hast du irgendetwas von Lady Margaret gehört?«, fragte Mary. Weil niemand sie hörte, verzichtete sie auf Förmlichkeiten. Wie immer schritt sie zügig aus, und die arme Lady Claire war schon fünfzig Schritte zurückgefallen und hatte offenbar Mühe, ihnen zu folgen.
Nick schüttelte den Kopf. »Ich wollte sie besuchen, aber man hat mich nicht zu ihr gelassen. Der Constable hat mir indes versichert, es gehe ihr gut, sie habe es bequem und warm und genügend Gesellschaft, und der König habe ihr sogar ein neues Kleid bezahlt.«
»Wie fürsorglich …«, knurrte Mary.
Nick hob ein wenig ratlos die Schultern. »Es könnte schlimmer sein.« Er reichte ihr die Hand, um ihr beim Überklettern einer kleinen Bruchsteinmauer behilflich zu sein, die die Schafweide einfriedete, und jenseits der Mauer gelangten sie in den Schatten des Waldes. Es war unverändert warm und sonnig. Das Laub leuchtete im hellen Frühlingsgrün, und die Sonne blinzelte hindurch und malte goldene Tupfen auf den Pfad. »Und wie geht es dir, Hoheit?«, fragte er. »Vom leidenschaftlichen Werben deines Verlobten einmal abgesehen?«
Sie bedachte ihn mit einem finsteren Blick. »Ich werde Philipp niemals heiraten, Nick, und wenn der König vor Wut platzt«, verkündete sie mit der ihr eigenen Entschlossenheit.
»Warum nicht? Er ist ein sehr ehrenhafter Mann, habe ich gehört …«
»Ja, das haben wir eben gesehen, nicht wahr?«
»Mary. Du bist vierundzwanzig Jahre alt. Es wird allerhöchste Zeit.«
»Wie charmant, mich daran zu erinnern. Aber wie du weißt, lege ich keinen Wert aufs Heiraten.«
»Aber das musst du.«
»Warum?«, konterte sie trotzig. »Wieso kann nicht einfach alles so bleiben, wie es ist?«
Die Geburt ihres Bruders hatte Marys Leben einfacher gemacht, wusste Nick, und sie mit vielem versöhnt, was in der Vergangenheit geschehen war. Der aussichtslose Kampf um ihre Anerkennung als Thronerbin hatte ein Ende. Sie hatte diese Position mit Selbstverständlichkeit und Erleichterung dem kleinen Prinz Edward überlassen. Und da ihre jüngere Schwester Elizabeth nun ebenso als Bastard galt wie Mary, gab es auch keinen Anlass mehr, mit ihr zu konkurrieren. Meistens lebten die Geschwister, die in Alter und Temperament so verschieden, die alle drei mutterlos waren und die im Grunde nur der ewig abwesende Vater verband, friedlich zusammen im Haushalt des Prinzen in einem der abgelegeneren Paläste – nicht selten in Hatfield.
»Weil die Dinge nie so bleiben, wie sie sind«, belehrte Nick sie. »Und du könntest es schlechter antreffen als mit Philipp.«
»Ah ja? Ich habe Mühe, mir das vorzustellen. Er ist ein Mitgiftjäger, Nick. Nur deswegen will er mich haben.«
Es stimmte, Philipp war für seine ständigen Geldnöte berüchtigt. Nach seinem grandiosen Sieg über die Türken war er mit Ehren überhäuft worden, aber Land oder Geld hatten seine Verdienste ihm nicht eingebracht. Er teilte sich ein winziges Herzogtum irgendwo in Bayern mit seinem Bruder, und da sie beide auf großem Fuße lebten, reichten ihre Einkünfte niemals aus.
»Es ist nicht seine Schuld, dass der Kaiser ihm kein anständiges Lehen gibt.«
»Doch, Nick. Es ist seine Schuld. Und damit kommen wir zum größten Hindernis dieser Ehe: Philipp ist Reformer. Schlimmer noch: Er ist Lutheraner. Aber lieber sterbe ich, als einen Ketzer zu heiraten.«
Nick wusste, das meinte sie todernst. Sie hatte sehenden Auges ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um für ihre Mutter und die Hoheitsansprüche des Papstes über die englische Kirche einzutreten, und sie würde das gleiche wieder tun.
»Und außerdem hat er die französische Krankheit«, fügte sie hinzu und schauderte. »Nein, vielen Dank.«
Nick starrte sie entgeistert an. »Im Ernst? Ähm … über so etwas spricht eine Dame nicht, richtig?«
»Nein, ich weiß. So etwas verschweigt man einer Dame vornehm, um Anstand und Sitte zu wahren. Sie findet es ja schließlich früh genug heraus, wenn ihr Gemahl sie angesteckt hat, nicht wahr? Aber wenigstens auf Chapuys ist noch Verlass. Er hat ›versehentlich‹ den Bericht seines Informanten auf meinem Tisch liegen lassen, der dieses pikante Detail enthüllte.«
»Puh«, machte Nick. »Ich sehe, die Angelegenheit ist vertrackter, als ich dachte.« Sie gingen ein Stück schweigend, und schließlich sagte er versonnen: »Wer weiß, vielleicht wird der König ja bald
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