Der dunkle Thron
Grund, mich zu beklagen«, entgegnete der kaiserliche Gesandte. »John hat ganz recht. Je weniger Wein ich trinke, desto gnädiger ist meine Galle gestimmt – verflucht soll sie sein. Und natürlich bin ich glücklich für Beatrice.«
»Ja, sie hätte es kaum besser antreffen können«, räumte Nick ein. »Und wie ich höre, liegen die Londoner Pfeffersäcke, die doch berüchtigt für ihre Ausländerfeindlichkeit sind, ihr zu Füßen.«
»Das ist wahr, Mylord. Aber sie ist ja auch mehr Engländerin als alles andere und hat drei Viertel ihres jungen Lebens hier verbracht.«
Verborgen und nahezu eingesperrt im Haus ihres Vaters in London, was sie ein wenig weltfremd gemacht hatte, wusste Nick. Aber Beatrice war klug und überaus belesen, und als er bei der Hochzeit mit ihr sprach, hatte er sich bei dem Gedanken ertappt, wie gut sie und Janis zusammenpassen würden.
»Was gibt es Neues aus dem Norden?«, fragte er.
»Wenig Erbauliches«, antwortete Chapuys. »König James von Schottland ist nicht gekommen, stellt Euch das vor. Dieser junge Flegel lässt seinen königlichen Onkel tagelang in York warten und schickt nicht einmal eine Entschuldigung. Er ist einfach nicht erschienen. König Henry ist sehr verstimmt, wie Ihr Euch denken könnt. Die lange Reise nach Norden war seiner Gesundheit nicht zuträglich, und er ist übler Laune wegen der Beschwernisse. In York haben die Menschen ihm einen prächtigen, sogar einen jubelnden Empfang bereitet. Aber Henry fand ihre musikalischen und schauspielerischen Darbietungen wohl dürftig und provinziell, und er hat sich keine Mühe gegeben, das vor ihnen zu verbergen. Ich fürchte, der Zweck dieses aufwändigen und überaus kostspieligen Ausflugs, eine Versöhnung zwischen der Krone und den Menschen im Norden herbeizuführen, wird nicht erfüllt.«
»Das hätte ich ihm vorher sagen können«, bemerkte Nick.
Chapuys nickte überzeugt. »Bedauerlich, dass er Euch nicht gefragt hat. Er hätte viel Geld und Zeit sparen können.«
Nick grinste flüchtig, entgegnete aber: »Es war trotzdem allerhöchste Zeit, dass er sich einmal im Norden blicken ließ. Wie kann ein König Treue und Ergebenheit von Untertanen erwarten, die aufzusuchen er sich niemals die Mühe macht?«
»Das ist wahr. Nur steht eben zu befürchten, dass dieser Besuch nicht gerade Ergebenheit und Königstreue wecken wird. Königin Catalina verehren die Menschen im Norden hingegen immer noch wie eine Heilige. Irgendein Bauernlümmel hat die junge Königin Katherine mit einem Dreckklumpen beworfen, weil er dachte, sie sei Anne Boleyn …«
»Tja. Bei Henrys Verschleiß an Königinnen darf man sich nicht wundern, wenn seine Untertanen nicht mehr ganz mitkommen.« Nick streckte die Beine Richtung Fenster aus. »Ich muss gestehen, ich bin dankbar, dass er mich nicht mit nach Norden genommen hat. Manchmal hat es wirklich seine Vorzüge, in Ungnade zu sein.«
Die Ernte, die sie in diesem Jahr einfuhren, war die beste seit langer Zeit, und die Stimmung beim Dreschfest war ausgelassen. Zum ersten Mal, seit Nick seinen Vater beerbt hatte, erwirtschaftete die Baronie einen kleinen Überschuss, und Nick erfüllte sich einen lang gehegten Traum: Er kaufte eine andalusische Jährlingsstute für sein Gestüt.
Er brachte seine Neuerwerbung im Stutenhof unter und blieb an der offenen Stalltür stehen, um sich zu vergewissern, dass sie fraß.
»Wie wär’s mit Federkissen und Daunendecken?«, schlug Madog vor und trat zu ihm.
Nick wandte den Kopf, grinste und schloss die untere Türhälfte. »Du musst zugeben, dass sie eine Schönheit ist.«
Madog betrachtete die kleine Stute mit dem edlen Kopf und der welligen Mähne und nickte. »Eine echte Prinzessin: elegant, hochnäsig, anspruchsvoll und vermutlich von delikater Konstitution.«
»So wie Mary«, entfuhr es Nick, und sie mussten beide lachen.
»Mir kommt es vor, als wärst du lange nicht dort gewesen. Bei Lady Mary, meine ich.«
»Du hast recht.« Mit einem letzten verliebten Blick auf die Stute wandte er sich ab, und sie schlenderten zusammen zum Stallmeisterhaus hinüber. »Ich glaube, mir graut davor zu hören, wie Mary Bischof Bonner wegen der Sache mit Richard Mekins in Schutz nimmt. Das wäre ihr durchaus zuzutrauen.«
»Ja, ich weiß«, antwortete Madog, und es war unmöglich zu sagen, was er davon hielt.
»Sie ist … maßlos und unerbittlich in Glaubensfragen. Wie ihre Mutter.«
»Und ihre Großmutter.«
»Ja.« Nick fuhr sich mit der Hand über Kinn
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