Der dunkle Thron
hat.«
Der Bischof hob die beringte Hand. »Und dennoch ist es verboten, nicht wahr? Was helfen uns die Sechs Glaubensartikel, wenn wir sie nicht durchsetzen? Und zwar mit eiserner Hand, Waringham! Sonst nützen sie nichts.«
»Mit eiserner Hand?«, wiederholte Nick. »Statt den verwirrten Menschen ein gütiger Hirte zu sein, auf dass sie wieder Vertrauen in die Liebe Christi fassen, foltert und verbrennt Ihr Kinder. Und obendrein seid Ihr ein Feigling, Bonner, denn Ihr hättet nie gewagt, dieses Urteil zu erwirken, wenn der König nicht nach Norden gereist wäre. Bleibt zu hoffen, dass sein Stellvertreter, Erzbischof Cranmer, diesem Irrsinn Einhalt gebietet. Ich habe hier genug Zeit verschwendet.«
Er ging mit langen Schritten zur Tür, aber ehe er sie erreichte, hörte er Bonner in seinem Rücken sagen: » Der König will, dass alles beim Alten bleibt, nur ohne Papst. Und was er mit diesem unwürdigen Gezänk über Gott und die Kirche erreicht, ist, dass die Menschen ihren Glauben verlieren und sich von Gott abwenden, sodass ihr sie mit Strafandrohung in die Kirchen treiben müsst. Man muss ihm zu seinem Werk gratulieren. Er hat nicht nur den Papst aus England verbannt, sondern Gott gleich mit . Bin ich recht informiert, dass Ihr diese Ansicht einmal geäußert habt, Lord Waringham?«
Verwirrt drehte Nick sich wieder um und sah die Dokumentenmappe in Bonners Hand. » Ihr wertet Cromwells Geheimdossiers aus?«, fragte er beinah amüsiert. »Welch unheilige Quelle, Exzellenz …«
»Habt Ihr es gesagt, ja oder nein?«
»Was weiß ich. Falls ja, habe ich die Wahrheit gesagt. Glaubt Ihr im Ernst, Ihr könnt mir mit einem Stapel verstaubter Protokolle Angst einjagen? Da müsst Ihr Euch schon etwas Besseres einfallen lassen. Ich reite jetzt zu Cranmer. Aber ich werde mich nicht beeilen. Wenn Euer Bote mich einholt, der mir die Begnadigung des Jungen bringt, spar ich mir den Besuch bei unserem allmächtigen Erzbischof, dessen Herz, wie Ihr zweifellos wisst, insgeheim für lutherische Wirrköpfe schlägt. Guten Tag, Bonner.«
»Ihr könnt Euch den Weg sparen, Waringham«, eröffnete der Bischof von London ihm.
»Ah ja? Und warum?«
»Weil Richard Mekins bereits brennt. Ich habe die Hinrichtung kurzfristig um einen Tag vorverlegen lassen, um das öffentliche Heulen und Zähneknirschen der Londoner Weiber auf ein Minimum zu beschränken.« Er sah zu der kostbaren Uhr auf der Truhe zu seiner Linken. »Wenn Ihr Euch beeilt, könnt Ihr ihn vielleicht noch ein bisschen zucken sehen.«
Master Gerard verbarg das Gesicht in den Händen und weinte bitterlich. Sein heiseres Schluchzen war ebenso erbarmungswürdig wie sein Anblick: Der hagere Rücken war gebeugt, und die Schultern bebten. »Oh, Richard …«, kam es gedämpft hinter den Händen hervor. »Ich hoffe, der Herr kann mir vergeben. Ich kann es nicht …«
Nick empfand diesen unmännlichen Gefühlsausbruch als abstoßend, zumal Schwester Janis zugegen war, aber er verbarg sein Befremden und sagte betont nüchtern: »Ich bin ebenso schuld wie Ihr. Ich habe ihn gehen lassen und ihm gesagt, er solle nicht wiederkommen. Wer weiß, ob er seinen Schritt nicht schon am nächsten Morgen bereut hat und zurückgekehrt wäre, wenn ich das nicht gesagt hätte.«
Janis trat zu dem heulenden Mönch und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Keiner von Euch ist schuld«, widersprach sie. »Ihr habt für den Jungen getan, was Ihr für richtig hieltet und was Ihr konntet. Wer hätte vorhersehen sollen, dass so etwas geschehen würde? Der Bischof, der dieses unmenschliche Urteil gefällt hat, trägt allein die Verantwortung. Und ich gestehe, ich habe Mühe, Gott um Vergebung für ihn zu bitten.«
Master Gerard beruhigte sich ein wenig, und Nick war dankbar.
Janis trat ans Fenster des Priorzimmers und warf einen Blick in den Garten, wo die fleißigen Kinder bei der Arbeit waren, die weniger fleißigen – natürlich die Mehrzahl – einen Ball über den Rasen kickten, Mädchen genauso wie Knaben. »Ich wünschte, wir müssten es ihnen nicht sagen«, murmelte sie.
»Sie erfahren es so oder so«, entgegnete Nick.
Sie nickte. »Ich weiß.«
Master Gerard ließ die Hände sinken und fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Warum?«, fragte er verständnislos. »Warum hat Bonner das getan? Welchem Zweck sollte es dienen?«
»Uns alle in Angst und Schrecken zu versetzen und Gott zu beweisen, wie ernst es dem Bischof mit der Umkehr der Reform ist«, spottete Nick bitter.
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