Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
war, wenn es Schauplatz eines Selbstmords gewesen und deswegen ein Unglücksort war, den niemand mehr betreten wollte.
    »In dem Falle hätten wir gern Lord Waringham gesprochen«, bat der Ältere höflich, der offenbar der Anführer war.
    Der walisische Steward nickte grimmig. »Das würde ich auch gern, glaubt mir. Aber er ist seit drei Tagen verschwunden.«
    »Wo ist das Eselsgrab?«
    »Ich habe keine Ahnung, Sir. Das müsst Ihr ihn fragen. Falls Ihr ihn findet.«
    »Stört es Euch, wenn wir uns hier ein wenig umsehen?«
    »Es stört mich in der Tat. Vor allem stört mich, dass Ihr mein Wort anzweifelt. Aber nur zu …«
    Doch sie fanden nicht die geringste Spur von Lord Waringham.
    »Wie oft müsst Ihr noch hören, dass er nicht hier ist, eh Ihr es begreift?«, fragte Master Gerard unwirsch. »Und ich wäre dankbar, wenn Ihr nun gehen würdet.« Er wies auf die Straßenkinder, die durchs Tor strömten, um sich ihr Brot abzuholen. »Ihr macht ihnen Angst.«
    Durch ein schmales Fenster in der Giebelwand der Dachkammer beobachtete Nick, wie Erzbischof Cranmers Agenten sich verabschiedeten, und erleichtert ließ er einen lang angehaltenen Atem entweichen.
    »Sind sie fort?«, fragte Janis’ Stimme.
    Er nickte und wandte sich zu ihr um. »Gut möglich, dass sie noch einmal wiederkommen, aber fürs Erste sind sie fort.«
    Janis stand auf der obersten Sprosse der kleinen Leiter, die durch eine Falltür in die Dachkammer führte, wo Mehlsäcke und Fässer mit Erbsen verwahrt wurden und zwei große Schinken an dicken Haken von den Dachbalken hingen. Die junge Nonne kletterte behände durch die Luke, obwohl sie eine randvolle Suppenschale in der Linken balancierte. »Ich habe Euch etwas zu essen gebracht.«
    Nick trat auf sie zu. »Gut von Euch. Obwohl ich hier kaum Gefahr laufe zu verhungern.«
    Sie stellte die Schale auf ein verschlossenes Fass und streckte ihm den Löffel entgegen.
    Notgedrungen schloss er die Lücke zwischen ihnen, nahm ihr den Löffel aus der Hand und begann zu essen. Es war eine dicke Fischbrühe, und sie schmeckte nicht einmal übel.
    »Was wird geschehen, wenn sie Euch hier finden?«, fragte Janis zaghaft.
    »Nicht viel«, gab Nick achselzuckend zurück. »Ausnahmsweise habe ich ja einmal nichts verbrochen. Aber sie werden viele lästige Fragen haben. Sie werden sehen wollen, wo ich meinen Bruder verscharrt habe. All diese Dinge. Und das schiebe ich lieber noch ein wenig auf. Sollen sie meine Stiefschwester befragen – ich bin sicher, sie weiß viel mehr als ich.«
    Janis nickte. »Sie ist verhaftet worden.«
    »Also ist die Katze aus dem Sack«, bemerkte Nick.
    »Allerdings.« Janis setzte sich auf die Kante eines Graupenfasses. »Erzbischof Cranmer hat dem König einen Brief überreicht, in dem er ihm die bedauerlichen Tatsachen offenbarte, hat Chapuys erzählt. Der König ist …« Sie brach ab.
    »Ja«, murmelte Nick zwischen zwei Löffeln. »Ich kann’s mir vorstellen.«
    »Chapuys sagt, selbst all jene, die König Henry aus religiösen oder persönlichen Gründen grollen, sind voller Mitgefühl angesichts seines Elends. Er … er hat bitterlich geweint, als er den Brief gelesen hat. Es heißt, er ist von Sinnen vor Schmerz.«
    Gut so , dachte Nick. Er aß beharrlich weiter und gab keinen Kommentar ab.
    Aber Janis ließ sich von seiner Reserviertheit nicht verscheuchen, sondern fuhr fort: »Die Königin ist im ehemaligen Birgittenkloster eingesperrt. Jeden Tag finden weitere Verhaftungen statt. Lady Rochford ist im Tower, genau wie die alte Duchess, die Mutter des Duke of Norfolk.«
    »Armer Norfolk«, höhnte Nick. »Das ist wirklich gründlich ins Auge gegangen. Zum zweiten Mal hat er dem König eine Nichte ins Brautbett gelegt – vergebt mir, Schwester –, und zum zweiten Mal nimmt es ein unseliges und vermutlich blutiges Ende. Man könnte ihn beinah bedauern, wäre er kein solcher Schuft.« Er mied den Gedanken an seine Stiefmutter. Er wusste, dass er einer Begegnung mit ihr auf Dauer nicht ausweichen konnte, aber auch das schob er lieber noch ein wenig auf.
    »Culpeper und Dereham werden immer noch verhört«, berichtete Janis beklommen.
    Nick stellte die leere Schale zurück auf das Fass. »Wenigstens das bleibt meinem Bruder erspart«, murmelte er. Er spürte ihren Blick auf sich, aber er stand halb mit dem Rücken zu ihr und stierte auf einen der Fachwerkbalken vor sich. »Ich war auch einmal kurz davor, meinem Leben ein Ende zu setzen, wisst Ihr. Ich … wollte es nicht

Weitere Kostenlose Bücher