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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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»Aber du hilfst ihm nicht, wenn du ihm auf die Pelle rückst, ihn bemutterst und bekochst.«
    »Er hat recht, Laura«, stimmte John zu. »Wir sollten ihm Zeit geben. Er weiß ja, wo er uns findet, wenn ihm nach Gesellschaft zumute ist.«
    Laura sah hilfesuchend zu Janis, die jedoch keinen Kommentar abgab. Die junge Nonne war dankbar für die Freunde, die sie in London so unverhofft gefunden hatte. Als sie damals ihren Mut zusammengenommen und in der Krippe um eine Anstellung ersucht hatte, war sie auf der Suche nach einem Refugium gewesen, einem kleinen Winkel der Welt, wo sie bleiben und sich wenigstens einigermaßen sicher fühlen konnte. Dass sie stattdessen mit solcher Bereitwilligkeit und Herzlichkeit in den Kreis derer aufgenommen würde, deren gemeinsames Anliegen die Krippe war, hätte sie sich in ihren kühnsten Träumen niemals vorgestellt. Aber eine gewisse Distanz blieb. Musste bleiben, denn keiner der Menschen an diesem Tisch ahnte, wer sie wirklich war. Und Janis lag daran, es dabei zu belassen.
    »Bleibt zu hoffen, dass ihm die Ruhe, nach der es ihn offenbar verlangt, auch vergönnt sein wird, wenn der Hof zurückkehrt«, sagte Chapuys. »Wie ich höre, rechnet man in Hampton Court noch heute mit der Ankunft des Königs und der Königin.«
    »Was in aller Welt hat der Hof damit zu tun?«, fragte seine Tochter verwundert. »Ich dachte, der arme Junge hat sich aus Liebeskummer das Leben genommen.«
    Ihr Vater nickte. »Aber wer immer das Objekt seiner unerwiderten Liebe gewesen sein mag, war mit dem König im Norden, nicht wahr?« Er traktierte Laura mit einem eindringlichen Blick.
    Sie schüttelte seufzend den Kopf. »Ich weiß so viel wie Ihr. Nick lässt sich nichts entlocken. Ich habe alles versucht, glaubt mir, denn ich war wütend, dass er mir Raymonds Abschiedsbrief nicht zeigen wollte. Immerhin war er ja auch mein Bruder. Aber es hat nichts genützt.«
    Chapuys nickte und zog mit dem Speisemesser versonnen Muster ins Tischtuch.
    Tatsächlich kehrte König Henry an Allerheiligen nach beinah halbjähriger Abwesenheit nach Hampton Court zurück, und noch am selben Abend begab sich ein gewisser Sir John Lascalles zu Erzbischof Cranmer und vertraute ihm an, seine Schwester, die während der Mädchenjahre der Königin an deren Seite im Haushalt der Duchess of Norfolk gelebt hatte, habe ihm Beunruhigendes berichtet, dass nämlich Königin Katherine zu damaliger Zeit eine unehrenhafte Liaison mit einem gewissen Francis Dereham unterhalten habe.
    In aller Diskretion ließ der Erzbischof besagten Master Dereham zu sich bringen. Der war nicht schwer zu finden, denn er bekleidete einen kleinen Beamtenposten bei Hofe. Erzbischof Cranmer befragte Dereham nach seinem Verhältnis zur Königin. Dereham leugnete und stammelte, bis die Männer des Erzbischofs ihm einen glühenden Eisenspan unter den linken Daumennagel trieben. Da gestand Francis Dereham, dass er der blutjungen Katherine Howard nächtliche Besuche abgestattet habe.
    Wie oft?
    Oft. Sie habe ihm die Ehe versprochen, und er habe nie aufgehört, sie zu lieben.
    Den Erzbischof packte das Grauen. Ein Eheversprechen, dem Taten folgten, kam juristisch einer Heirat gleich. Vermutlich war die Ehe des Königs mit Katherine Howard also ungültig. Und ihm, dem Erzbischof, würde es zufallen, dem König die unwillkommene Nachricht zu überbringen. Da und dort ließ er den Übeltäter büßen, bis der schließlich schreiend und winselnd zu seiner Verteidigung anführte, es sei doch vor ihrer Ehe mit Henry gewesen, und außerdem sei er nicht der Einzige.
    Wer noch?
    Thomas Culpeper. Mit dem treibe sie es jetzt, den sollten sie holen und Stück für Stück rösten.
    Auch Culpeper wurde noch in derselben Nacht festgenommen und gefoltert.
    Wer noch?, wollte der Erzbischof auch von ihm wissen.
    Raymond Howard.
    Doch als die Agenten des Erzbischofs nach Waringham kamen, um auch den dritten Hochverräter aufzugreifen, gerieten die Ermittlungen ins Stocken.
    »Er ist tot, Gentlemen«, eröffnete der Steward ihnen knapp, der sie trotz des nasskalten Wetters im Burghof empfing und nicht hineinbat. Er wies zu einer Stelle links des Torhauses, wo die geschwärzten Überreste eines abgebrannten Holzgebäudes noch schwelten. »Das war der Pferdestall. Dort hat er sich erhängt.«
    Die unauffällig, aber bis an die Zähne bewaffneten Männer des Erzbischofs waren geneigt, ihm zu glauben, denn der einzige vernünftige Grund, ein intaktes, brauchbares Gebäude niederzubrennen,

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