Der dunkle Thron
sich ein Geschmack ausbreitete, der sich mit nichts vergleichen ließ, was er je probiert hatte. »Hm«, machte er anerkennend und schluckte. »Nicht übel. Auf jeden Fall sehr außergewöhnlich. Also, raus damit, Ladys. Was ist es?«
Mary schüttelte den Kopf. »Ich kenne den Namen dieser Früchte nicht.«
»In London nennt man sie Erdäpfel«, wusste Lady Katherine zu berichten. »Weil sie angeblich wie Wurzeln in der Erde wachsen.«
»Sie schmecken jedenfalls himmlisch«, befand die Malerin. »Was vermutlich bedeutet, dass sie dick machen«, fügte sie mit einem betrübten Blick auf ihre kaum erkennbare Taille hinzu, und die anderen am Tisch schmunzelten.
Sie beendeten das ungewöhnliche Mahl, ohne viel zu reden, ein jeder konzentrierte sich auf den fremden Wohlgeschmack der neuen Frucht.
»Wer holt so etwas eigentlich aus der Neuen Welt?«, fragte Mary. »Habt Ihr nicht einen Onkel oder Cousin, der zur See fährt, Mylord?«
»Ich habe ihn seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen«, erwiderte Nick bedauernd. »Und er ist mit den Portugiesen die afrikanische Küste entlanggefahren, nicht in die Neue Welt. Dorthin fahren vor allem die Spanier und die Holländer. Die Spanier bringen Gold und Silber nach Hause, sodass Kaiser Karl jeden Tag reicher und mächtiger wird. Die Holländer schaffen wunderbare, wenn auch überflüssige Dinge wie Pelikane oder vermutlich auch Eure Erdäpfel hier nach Antwerpen, von wo aus sie zum Beispiel nach London verschifft und für viel Geld verkauft werden. Unsere eigenen Seefahrer, wenn sie überhaupt übers große Meer fahren, bringen vor allem Kabeljau nach Hause, hat mein Schwager Philipp Durham mir erzählt.«
»Na ja, Kabeljau ist ein wohlschmeckender und kostbarer Fisch, der sicher viel einbringt, aber verglichen mit Cousin Karls Schiffen voller Gold …«, sagte Mary versonnen. Dann sah sie kopfschüttelnd in die Runde und fügte hinzu: »Mein Vater muss achtgeben, dass er und sein Land nicht in Bedeutungslosigkeit sinken.«
»Vielleicht sagt Ihr ihm das bei Gelegenheit einmal«, schlug Nick über den Rand seines Glases hinweg vor.
Mary hob trotzig das etwas spitze Tudor-Kinn. »Vielleicht werde ich das.«
Nach dem Essen trat Nick auf den verschneiten Balkon hinaus, verschränkte die Arme auf der Brüstung und sah an der Fassade hinab.
»Wunderst du dich, wie du je den Mut gefunden hast, daran emporzuklettern?«, fragte Marys Stimme neckend in seinem Rücken.
Er wandte lächelnd den Kopf. »So schwierig war es gar nicht. Und es ist auch nicht so besonders hoch.«
Sie stellte sich neben ihn. »Hoch genug, um sich den Hals zu brechen.«
»Hm«, machte er unbestimmt. »Lange her.« Und um zu verhindern, dass sie nostalgisch wurden, wechselte er das Thema. »Was machen die Heiratspläne, Hoheit?«
Mary zog eine hinreißende kleine Grimasse des Missfallens. »Das gleiche wie immer, du Flegel. Oberflächlich betrachtet scheinen sie zu gedeihen. Jüngster Kandidat war der Bruder des Dauphin, falls ich richtig informiert bin. Aber dann geraten sie glücklicherweise immer ins Stocken, und die wohldurchdachten Pläne lösen sich in Wohlgefallen auf.«
»Tja. Der König wird kaum eine Verbindung mit dem französischen Königshaus eingehen wollen, wenn er plant, die Normandie zu überfallen.«
»Es täte mir leid für die Menschen in der Normandie, wenn es wirklich dazu käme, aber ich wäre natürlich wie üblich dankbar für die geplatzte Verlobung. Wenn es allerdings stimmt, was Lord Sidney erzählt, dass nämlich Pfalzgraf Philipp Dingsda zurück nach England kommen will, weil er immer noch nicht aufgegeben hat, dann wäre mir der kleine Bruder des Dauphin vielleicht doch lieber.«
»Pfalzgraf Philipp?«, fragte Nick erstaunt. »Nun, seine Standhaftigkeit spricht jedenfalls für ihn.«
»So etwas hast du schon mal gesagt«, erinnerte Mary sich stirnrunzelnd. »Du meinst nicht im Ernst, dass ich ihn heiraten sollte, oder?«
Nick schüttelte den Kopf. Der ungestüme Graf hatte ihm gefallen, aber für Mary wäre Philipp nie der richtige Gefährte gewesen, selbst wenn er nicht die französische Krankheit gehabt hätte. »Aber du musst …«
»Oh, ich weiß, ich weiß«, fiel Mary ihm ungeduldig ins Wort. »Auch das hast du schon ein Dutzend Mal zu mir gesagt. Irgendwen muss ich heiraten, meinst du.«
»Wie wäre es mit Philipp?«
»Diese Unterhaltung wird absurd.«
»Ich meine deinen Cousin Philipp von Spanien, den Sohn des Kaisers.«
Sie winkte ab. »Der ist doch
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