Der dunkle Thron
ist. Ein Glückskind.«
»Erzähl mir nichts«, widersprach Nick. »Du hast ihm Manieren beigebracht, ohne ihn zu verbiegen. Er ist … ein wunderbarer Junge.«
Sie nickte. »Ich habe gemerkt, dass er dir ans Herz gewachsen ist, und dafür danke ich Gott. Er hat mich von meiner größten Sorge erlöst. Aber wie es seine Art ist, hat Gott mir gleich eine neue Sorge beschert, Nick: Lord Sidney hat mir kurz vor Weihnachten mitgeteilt, dass meine Dienste im neuen Jahr nicht mehr benötigt werden. Der Prinz wird ein junger Gentleman und braucht nicht mehr so viele Gouvernanten wie früher. Mit anderen Worten, Mylord: Ich verliere meine Anstellung und das Dach über dem Kopf. Was schlägst du vor, wohin ich gehen soll, wenn du mich zu Hause nicht haben willst?«
Sie waren vor den Stallungen angekommen, und Sir Jeremy Andrews – der Schrecken aller Stallburschen – stand mit drei Mädchen in feinen Mänteln und Kapuzen vor dem Tor und unterhielt sie galant, während sie offenbar auf ihre Pferde warteten.
»Was du wieder redest«, antwortete Nick seiner Frau. »Du und Eleanor könnt jederzeit nach Hause kommen. Wann immer du es wünschst.«
Er hatte leise gesprochen, aber anscheinend nicht leise genug. Eine der kleinen Damen fuhr zu ihm herum. »Du willst uns nach Hause holen, Vater?«
»Eleanor.« Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie auf die Stirn. Dann verneigte er sich vor ihrer Gefährtin. »Lady Elizabeth.«
»Lord Waringham«, antwortete die einstige Prinzessin eine Spur kühl.
»Und Lady …?« Nick sah unsicher auf das dritte Mädchen, ein hübsches Kind mit großen, dunklen Augen.
»Jane Grey«, raunte Polly.
»Oh, natürlich.« Suffolks Enkelin, wusste Nick. Und da Lady Janes Großmutter König Henrys Schwester gewesen war, zählte die Kleine zur königlichen Familie. »Eine Ehre, Lady Jane.«
Sie knickste, ohne zu lächeln, und sprach kein Wort.
»Wünscht Ihr Euer Pferd, Mylord?«, fragte der Stallmeister respektvoll. Kein Wiedererkennen flackerte in seinen Augen.
Nick winkte ab. »Nein, danke, Sir Jeremy. Lady Waringham und ich haben uns nur ein wenig die Beine vertreten und hierher verirrt.«
»Vater«, beharrte Eleanor. »Was hat das zu bedeuten, wir sollen nach Hause zurückkehren?« Keine Freude, sondern Schrecken stand in ihren Augen.
»Möchtest du das nicht?«, fragte er erstaunt.
Eleanor schlug die Augen nieder und sann offenbar erfolglos auf eine höfliche Antwort.
»Ihr Zuhause ist hier«, erklärte Elizabeth brüsk.
»Ich glaube, Ihr irrt Euch«, teilte Nick ihr frostig mit, und seine Eifersucht traf ihn unvorbereitet.
Elizabeth blies sich eine Strähne aus der Stirn. »Warum wollt Ihr uns auf einmal auseinanderreißen, wo Ihr Euch bis heute noch nie um Eure Tochter geschert habt, Mylord?«
»Bess!«, zischte Eleanor erschrocken.
Nick betrachtete die Tochter des Königs, die offensichtlich die Taktlosigkeit ihrer Mutter geerbt hatte, ohne viel Sympathie. Dann legte er Eleanor kurz die Hände auf die Schultern und versprach: »Bevor ich entscheide, werde ich mir deine Wünsche anhören.«
Sie nickte lächelnd und knickste. »Danke, Vater.«
»Wollt ihr drei etwa allein ausreiten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir warten auf Sir Thomas Seymour und Robin Dudley.«
»Na dann. Bei zwei so besonnenen Begleitern weiß ich euch ja in den besten Händen …«
Die drei Mädchen tauschten einen Verschwörerblick, und die neunjährige Elizabeth erklärte: »Ich brauche keinen Aufpasser, Lord Waringham. Ich habe nämlich vor gar nichts Angst.«
»Ja, Mylady, das glaub ich aufs Wort.«
Voller Misstrauen betrachtete Nick die dampfenden, gelblich weißen und ungleichmäßig geformten Kugeln auf dem Teller vor sich. »Was … soll das sein? Sieht aus wie Ingwer. Nur größer.«
»Kostet«, befahl Mary und machte eine aufmunternde Geste mit ihrem Speisemesser.
Nick zückte scheinbar unerschrocken sein eigenes, wollte eins der seltsamen Gebilde aufspießen, und prompt bröckelte es auseinander. »Großartig …«, knurrte er.
Mary, Lady Katherine und Susanna Horenbout lachten ihn aus. Zu viert saßen sie in Marys behaglichem Gemach um einen niedrigen Tisch herum, und Nick beobachtete verstohlen, wie die Damen dieses seltsame Gemüse aus der Neuen Welt handhabten.
Schließlich imitierte er Katherine Parr, hob eine der Kugeln mit spitzen Fingern auf und biss vorsichtig ab. Er kaute langsam, obwohl es eigentlich nicht nötig war, denn der Bissen zerging auf der Zunge, wo
Weitere Kostenlose Bücher