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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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kommen.«
    Er nickte wortlos, trank einen kleinen Schluck und hielt ihr einladend seinen Becher hin. Doch sie schüttelte den Kopf.
    »Würdest du mich ein Stück durch den Park begleiten?«, bat er. Sie saßen allein und unbelauscht am Ende der Tafel, aber die Halle war trotzdem ein zu öffentlicher Raum für die Stunde der Wahrheit, die hier offenbar angebrochen war.
    »Natürlich«, antwortete Polly bereitwillig. »Lass mich nur meinen Mantel holen.«
    Sie wollte aufspringen, aber Nick hielt sie am Handgelenk zurück. Er sah sich kurz um und winkte dann den jungen Robin Dudley zu sich. »Lauf nach oben, hol Lady Waringhams Mantel und Schneeschuhe und so weiter und bring sie in die Eingangshalle.«
    »Sofort, Mylord.« Der kleine Rabauke machte einen Diener und stob davon.
    Es war herrliches Wetter für einen Spaziergang, kalt und sonnig, aber nicht windig. Höflich legte Nick seiner Frau den eichenlaubgrünen, pelzgefütterten Umhang um die Schultern, sah zu, während Dudley ihr fachmännisch in die hölzernen Überschuhe half, warf sich den eigenen, ebenso warmen, aber weitaus weniger eleganten Mantel über und führte Polly ins Freie.
    Schweigend schlenderten sie die gewundenen Pfade entlang, nebeneinander, aber ohne sich zu berühren. Und weil Nick tief in Gedanken versunken war und nicht darauf achtete, wohin seine Füße ihn trugen, war er ein wenig verwundert, sich plötzlich in dem kleinen Obstgarten wiederzufinden, der zwischen Stallungen und Gesindeküche lag. Er blieb an dem knorrigen kleinen Apfelbaum stehen, wo Polly ihn so manche Nacht erwartet hatte.
    »Wie lange das alles her zu sein scheint«, murmelte sie an seiner Seite.
    Er sah sie an und nickte. »Bald zehn Jahre.«
    »Ich wünschte, ich könnte diese Zeit zurückhaben«, stieß Polly plötzlich hervor. »Ich hatte immerzu Angst, wir würden entdeckt und eingesperrt und aufgehängt, aber ich hatte dich. Darum war es nicht so schlimm.«
    »Ich denke eher, du hast es vorgezogen, zu vergessen, wie schlimm es oft war. Und es führt auch zu nichts, zurückzuschauen. Entscheidend ist, wo wir heute stehen, nicht, wie wir hierhergekommen sind. Also lass uns …«
    »Ist es eine andere Frau?«, unterbrach sie ihn scharf. »Ist das der Grund, warum du mich nicht mehr anrührst?«
    Er sah ihr in die Augen und nickte. Bei allem, was zwischen ihnen stand, war er sich sehr wohl bewusst, dass Aufrichtigkeit das Mindeste war, was er ihr schuldete.
    »Wirst du dich von mir scheiden lassen?«, fragte sie.
    »Ich wüsste nicht, wie.«
    »Frag König Henry. Ich bin sicher, er könnte dir einen Rat geben; schließlich ist er Experte. Wenn du es wünschst, kann ich dich auch betrügen. Ich bräuchte nur mit den Fingern zu schnipsen, und Thomas Seymour wäre zur Stelle …«
    »Untreue ist kein Scheidungsgrund«, erinnerte er sie. »Aber wenn du mich zum Gespött machst und der Zukunft unserer Kinder schadest, könnte ich mich dazu entschließen, dich in ein schottisches Kloster zu sperren. Dort hättest du viel Zeit, darüber nachzudenken, was es bedeutet, Lady Waringham zu sein. Du würdest alt und grau werden und irgendwann sterben, ohne Eleanor und Francis je wiederzusehen. Also überleg dir gut, was du tust.«
    Sie lachte bitter. »Du drohst mir, dabei bist du der Ehebrecher, nicht ich.«
    »Du hast mir zuerst gedroht«, stellte er ohne besonderen Nachdruck klar. »Aber es war weder meine Absicht, dich einzuschüchtern, noch will ich mich scheiden lassen.« Wozu, wo er Janis ja doch nicht hätte heiraten können?
    »Sondern was? Was genau ist es, das Lord Waringham wünscht?«
    »Oh, lauter Dinge, die ich nicht haben kann, wie üblich«, antwortete er mit einem Lächeln. Er bückte sich, hob eine Hand voll Schnee auf, formte eine Kugel daraus und warf sie nach einer Krähe, die lärmend in einem nahen Kirschbaum hockte. Unter frenetischem Krächzen flog sie davon.
    Nick legte die Linke auf Pollys Arm und führte sie weiter Richtung Stallungen. »Es war nie meine Absicht, dich zu kränken oder dich unglücklich zu machen, Polly, aber die Dinge sind eben, wie sie sind. Ich kann dir nicht geben, was du dir von mir wünschst, und das weißt du. Aber ich schwöre, ich werde nie vergessen, was ich dir schuldig bin. Und vielleicht ist dies hier der richtige Moment, um dir für das zu danken, was du aus Francis gemacht hast.«
    Sie hatte den Kopf gesenkt, hob aber abwehrend die freie Rechte. »Ich habe gar nichts getan«, sagte sie erstickt. »Er ist einfach, wie er

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