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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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musst verrückt sein, ihn so zu reizen«, murmelte Mary an seiner Seite.
    »Ja, ja«, knurrte er. »Nicht nötig, mir das ständig vorzuhalten. Ich pass schon auf mich auf, keine Bange.«
    »Den Eindruck hatte ich nicht. Aber ausnahmsweise war es einmal nicht dein Leben, um das ich gefürchtet habe, sondern seins. Er ist ein todkranker Mann, Nick. Also sei ein bisschen nachsichtig.«
    »Der todkranke Mann lebt gerade sichtlich auf«, bemerkte er.
    Katherine Parr war ohne erkennbare Scheu vor den König getreten, lauschte ihm respektvoll, aber nicht unterwürfig, und sagte irgendetwas, das ihn zum Lachen brachte.
    »Nun schau dir Thomas Seymour an, den König der Herzensbrecher«, wisperte Mary. »Er sieht aus, als sei ihm gerade der Gevatter mit der Sense erschienen.«
    Tatsächlich war der junge Onkel des Kronprinzen verdächtig bleich geworden und starrte mit leicht geöffneten Lippen zu Lady Katherine und König Henry hinüber.
    »Hm. Falls er tatsächlich zur Abwechslung einmal ernsthafte Absichten hat, kann ich ihn verstehen. Selbst wenn Lady Katherine in absehbarer Zeit verwitwet, mag es sehr wohl sein, dass Thomas Seymour nicht zum Zuge kommt.«
    »Und wenn das, was du andeutest, wirklich geschieht, mag es sehr wohl sein, dass mein Vater diesen gottlosen Krieg nie beginnt.«
    »Oh, das glaub nur nicht«, widersprach Nick. »Ruhm auf dem Schlachtfeld ist das einzige, was er noch erhoffen kann, um diesem Fiasko, das seine Regentschaft war, eine Spur von Glanz zu verleihen.«

Waringham, Mai 1544
    »Pass auf, verbrenn dir nicht die Finger«, warnte Nick und hielt Francis den Spieß mit dem Brot hin, das sie über dem Kaminfeuer geröstet hatten.
    »Also wirklich, Vater«, tadelte der Junge seufzend. »Es sieht aus wie ein Brocken Holzkohle.« Dennoch pflückte er das Brot herunter und warf es schnell zwischen seinen Händen hin und her, um es abzukühlen.
    Nick fing es mitten im Flug ab, und seinen schwieligen Händen konnte die Hitze nichts anhaben. »Nein, nein, ich denke, so schlimm ist es nicht. Hier.« Er brach es durch, reichte dem Jungen seine Hälfte, und sie begannen zu knabbern.
    »Lies weiter«, bat Nick, während er das nächste Brotstück pfählte.
    Francis streckte sich auf der Decke vor dem Kamin auf der Seite aus und fuhr mit dem Finger die Zeilen in seinem Buch entlang, bis er die richtige Stelle wiedergefunden hatte. »Ah, hier: Der Elefant begab sich also in dieses wundersame Land Musia, das der Löwe, der König der Tiere, ihm zu Lehen gegeben hatte, um seine Herrschaft anzutreten. Und der Elefant ließ seine Trompete erschallen, auf dass all seine neuen Untertanen von seiner Ankunft Kunde erhielten. Von Osten, von Westen, von Norden und von Süden strömten sie herbei, um ihren neuen Fürsten willkommen zu heißen, doch als er sie erblickte, war sein Schrecken groß: Der Löwe hatte dem Elefanten die Herrschaft über das Land der Mäuse verliehen  …« Francis kicherte hingerissen und sah auf. »Was für ein dämlicher König«, befand er. »Wie soll das denn gehen? Wie soll der Elefant über die Mäuse herrschen?«
    Nick nahm das Brot aus dem Feuer und betrachtete es kritisch. »Ja, du hast recht, der Löwe ist ein ziemlich dummer König. Wie du noch häufiger feststellen wirst.«
    Francis richtete sich wieder auf und pflückte das Brot vom Spieß.
    Dieses Jahr machten die Eisheiligen ihrem Namen alle Ehre – es war geradezu lächerlich kalt und regnerisch für Mai. Aber Nick hatte keine Einwände gegen das Wetter, denn es bot eine gute Entschuldigung, um dieses Ritual, das sich über den Winter entwickelt hatte, fortzusetzen: Vater und Sohn verbrachten die Stunde vor Francis’ Schlafenszeit vor dem Feuer in Nicks Gemach, lasen oder führten Männergespräche, während sie Brot über dem Feuer rösteten, das Nick mit dem würzigen Schafskäse aus Adams Molkerei aß, Francis lieber ohne.
    »Die Geschichte gefällt dir also?«, fragte Nick.
    »Großartig!«, befand Francis mit dem so leicht entflammbaren Enthusiasmus. »Hundertmal besser als Ovid. Nicht so mühsam zu lesen und viel spannender!«
    Nick lachte in sich hinein. » Besser als Ovid. Sei so gut und sorg dafür, dass das dereinst auf meinen Grabstein gemeißelt wird.«
    Janis hatte ihn auf die Idee gebracht, kleine Tiergeschichten in lateinischer Sprache zu verfassen, um den Kindern ihrer Schule das Erlernen der alten Sprache zu erleichtern und zu versüßen, und gleichzeitig könne er seine eigenen Fertigkeiten im Gebrauch des

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