Der dunkle Thron
hätte Euch daran erinnert, dass es immer Gottes Wille ist, der geschieht, Sir William. Und sie ist jetzt bei ihm, nicht wahr? Bei ihrem Vater, meine ich.«
Ropers Lippen verzogen sich für einen Moment nach oben. »Welch ein Vergnügen sie daran haben werden, wieder miteinander zu disputieren.«
Der Sarg stand geöffnet vor dem Altar, sodass ein jeder, der wollte, sich von Lady Meg verabschieden konnte. Sie sah sehr friedlich aus, fand Nick. Ihre Haut war zu wächsern, als dass man hätte glauben können, sie schlafe nur, aber der Mund zeigte das verhaltene kleine Lächeln, das ihn als Knaben immer so aus der Fassung gebracht hatte. Sie trug ein blaues Kleid – das wunderbar zu ihren Augen gepasst hätte, wenn diese sich je wieder geöffnet hätten –, doch ihre Hände waren weder gefaltet noch hielten sie einen Rosenkranz, sondern sie ruhten nebeneinander auf einem seltsam unpassenden, fleckig dunklen Lederbeutel, in dem sich ein kugelförmiger Gegenstand zu befinden schien.
»Was in aller Welt geben sie ihr da mit?«, fragte Laura, die plötzlich an Nicks Seite stand.
Er nahm ihre Hand, dankbar, dass seine Schwester gekommen war. »Ich glaube, das sage ich dir lieber ein andermal«, gab er flüsternd zurück.
Gern hätte er Lady Meg zum Abschied die Stirn geküsst. Sie war seine erste Liebe gewesen und eine wundervolle, mutige Frau. Doch er beschränkte sich darauf, die Finger an die Lippen zu führen und dann verstohlen auf ihre geschlossenen Lider zu legen. Schließlich trat er beiseite, um den übrigen Trauernden Platz zu machen.
Nicht nur Laura war gekommen, sondern Philipp und ihre Kinder ebenso, genau wie John und Beatrice und Chapuys. Nach der Beerdigung kehrten sie alle zusammen nach London zurück und begaben sich in das Haus an der Shoe Lane, um das Glas auf Lady Megs Andenken zu trinken, zu dem der Witwer sie nicht eingeladen hatte.
»Der arme Roper war immer ein bisschen eifersüchtig auf dich, Nick«, bemerkte Laura und setzte sich zu ihrem Bruder auf die Fensterbank der Halle.
»Unsinn«, brummte er.
Sie hob die Schultern, und ihre Miene sagte: Ich weiß, was ich weiß . Aber sie ließ das Thema ruhen.
»Ihre Schule wird ihren Tod nicht lange überdauern, soviel ist sicher«, warf Philipp ein. »Eigentlich wollten wir unseren Cecil nächstes Jahr hinschicken.«
»Schickt ihn zu uns«, antworteten Nick und Janis wie aus einem Munde, tauschten einen Blick und ein kleines, trauriges Lächeln.
Philipp nickte. »Ja. Das ist ein guter Gedanke.«
»Aber wir sind nur die zweite Wahl«, raunte Nick Janis zu.
»Wir waren uns nicht schlüssig, ob es gut ist, den Jungen auf die Schule seines Onkels zu schicken, verstehst du«, versuchte Laura zu erklären.
»Sprich mit Francis«, riet ihr Bruder. »Er wird dir wortreich darlegen, dass verwandtschaftliche Beziehungen auf der Schule in Waringham keinerlei Vergünstigungen mit sich bringen. Im Gegenteil, wird er behaupten.«
Laura lächelte beim Gedanken an ihren quirligen Neffen. »Und was macht Eleanor?«
Nick trank einen Schluck und hob die Schultern. »Sie ist mit ihrer Mutter, Lady Mary und Lady Elizabeth bei Hofe. Zuerst hat ihnen allen ein wenig davor gegraut. Aber die Königin sorgt für die Ihren. Es geht ihnen gut, schätze ich. Und davon abgesehen, hat Eleanor mir zu verstehen gegeben, dass sie nicht nach Hause will. Sie zieht Elizabeths Gesellschaft der ihrer Familie vor.«
Laura nickte, ohne einen Kommentar abzugeben. Aber Nick wusste auch so, was seine Schwester dachte : Was erwartest du, nachdem du deine Tochter ihr Leben lang vernachlässigt hast? Sei lieber froh, dass sie einen Platz in der Welt gefunden hat, wo sie sich geliebt fühlt.
Und sie hatte natürlich recht.
Chapuys und John traten zu ihnen. »Der arme Roper macht sich bittere Vorwürfe wegen der Schwangerschaft«, bemerkte der kaiserliche Gesandte seufzend.
John winkte mit der großen, feingliedrigen Linken ab. »Das Kindbettfieber hätte sie mit neunzehn ebenso umbringen können wie mit neununddreißig. Es passiert eben.«
»Es war nicht das Kindbettfieber, das sie umgebracht hat«, widersprach Nick.
»Doch, Nick. Glaub mir«, antwortete John.
Nick schüttelte langsam den Kopf. »Es war vielleicht der Anlass. Aber nicht die Ursache. Auch die Aufopferung für ihre Familie und all die guten Werke haben sie nicht aufgezehrt, sondern das Schicksal ihres Vaters. Niemand hat wirklich verstanden wie sie, welch ein außergewöhnlicher, großer und auch schwieriger
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