Der dunkle Thron
Lateinischen damit verbessern und auffrischen, hatte sie hinzugefügt – ganz die eifrige Schulmeisterin. Das ungewöhnliche Projekt hatte ihn gereizt und ihm großes Vergnügen bereitet. Er fand sich an die Zeit erinnert, da er für den Leseunterricht seines Bruders Geschichten geschrieben hatte. Er konnte nicht ohne Wehmut und Trauer an diese Zeit zurückzudenken, aber seine Bitterkeit, stellte er fest, hatte nachgelassen.
Francis teilte sein Brot mit Maxwell, seinem Hund, der zusammengerollt neben ihm auf der Decke döste, und las weiter. Mühelos. Und an seiner Betonung der Worte war unschwer zu erkennen, dass er ihren Sinn verstand.
Vaterstolz schwellte Nicks Brust. Er fand diese Anwandlung albern, übertrieben und obendrein unverdient, doch er konnte gegen das Gefühl nicht viel tun. Darum trank er einen Schluck Wein und gab sich ihm hin. Er war sicher, dass ihm Tage des Zwists und der Enttäuschung bevorstanden, denn sie blieben keinem Vater erspart, also war es nur weise, Momente wie diesen auszukosten.
Es klopfte, und Janis steckte den Kopf durch die Tür. »Zeit zum Schlafengehen für dich, Francis.«
»Och, nur noch bis zum Ende der Seite …«, bettelte der Junge. Oft genug führte es zum Erfolg.
Aber heute blieb sie hart. »Nein, es ist spät geworden. Sag gute Nacht, nimm dein zotteliges Ungeheuer und dann ab ins Bett mit euch.«
Francis sprang auf die Füße und schenkte ihr ein Lächeln, das halb zerknirscht und halb schelmisch war. »Also schön. Maxwell.« Der Hund stand auf und reckte sich gähnend. Der Junge lachte. »Nun, wenigstens einer von uns beiden ist müde. Nacht, Mylord.«
»Beten nicht vergessen«, trug Nick ihm auf.
Francis schüttelte den Kopf und verneigte sich vor Janis. »Nacht, Schwester.«
»Gute Nacht, Francis.«
Nick sah seinem Sohn nach, der seinen Hund hinausführte und die Tür hinter sich zuzog. »Er wird so groß …«, murmelte er seufzend.
»Was erwartest du?«, gab sie zurück. »Das arme Kind hat einen Hünen von beinah sechs Fuß zum Vater.«
Nick erhob sich von seinem warmen Plätzchen auf der Decke vor dem Kamin, zog Janis mit der Rechten näher und drückte die Lippen auf ihre. »Endlich allein …«
Sie schob ihn energisch weg. »Nicht bevor der Junge schläft, Nicholas.«
Er schauderte. »Du klingst wie meine böse Stiefmutter, wenn du mich so nennst.«
»Ich weiß«, gab sie lächelnd zurück. »Es ist die sicherste Methode, dich von deinen lüsternen Gedanken zu kurieren.«
Er brummte, um vorzugeben, er sei verstimmt, und trug seinen Becher zum Tisch. »Was machen unsere kleinen Gelehrten?«
»Unsinn wie üblich, nehme ich an«, antwortete sie und setzte sich zu ihm. »George de Vere und Andrew Gisors haben sich nach dem Unterricht geprügelt.«
»Das ist nichts Neues.« Der Sohn des Earl of Oxford und der Enkel des Meisters der Londoner Tuchhändler waren die ersten Schüler gewesen, die in die neue Schule nach Waringham gekommen waren, und vom ersten Tag an hatte sie eine innige Freundschaft verbunden, was sie aber nie davon abhielt, sich zu streiten und erbittert zu prügeln.
»Simon hat sie beide ohne Essen ins Bett geschickt«, berichtete Janis weiter.
»Das wird nichts nützen«, prophezeite Nick. »Und ich will nicht, dass unsere Schüler Hunger leiden. Ich war der Ansicht, in dem Punkt wären wir uns alle einig.«
»Dann sprich du mit ihm. Du weißt ja, Simon schätzt es nicht gerade, wenn ich ihn kritisiere.«
»Der überaus kluge und hochmütige Simon Neville schätzt es generell nicht sonderlich, kritisiert zu werden«, entgegnete er seufzend.
Aber im Großen und Ganzen war Nick sehr zufrieden mit seinem Lehrpersonal und seiner Schule insgesamt. Es hatte nicht lange gedauert, die Plätze zu füllen. So wie Adlige und reiche Kaufherren Schlange standen, um ihre Stuten in Nicks Gestüt zu schicken, vertrauten sie ihm nun auch ihre Söhne und Töchter an, denn auch wenn der Earl of Waringham in Ungnade sein mochte, genoss er doch hohes Ansehen. Je zwölf Knaben und Mädchen aus den besten Familien bevölkerten nun den alten Burgturm, zwei arme, aber begabte Bauernkinder aus Waringham kamen morgens aus dem Dorf herauf und nahmen ebenfalls am Unterricht teil, und wenn Nick gegen Mittag aus dem Gestüt zurückkam und ihre hellen Stimmen in der einst so stillen und verwaisten Halle hörte, erfreute es sein Herz. Er hatte das alte Gemäuer wieder mit Leben gefüllt und das getan, was die Waringham immer getan hatten: Er hielt die
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