Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
anderen. Unzertrennlich. Arthur …« Er unterbrach sich, trank einen Schluck und fuhr dann fort: »Arthur war ein Bücherwurm – auch das hatten Jasper und er gemeinsam –, und er war immer schmächtig und kränklich. Und trotzdem war Arthur der perfekte Prinz, Nick. Vielleicht ist es oft so, dass das Andenken die Toten besser macht, als sie im Leben waren, aber nicht bei Arthur. Alles, was heute über ihn gesagt wird, stimmt. Du darfst mich nicht missverstehen: Auch Henry wurde ein vielversprechender Prinz, als er heranwuchs. Er war feinsinnig und gebildet und fromm, er schrieb sogar Gedichte. Und ebenso war er ein hervorragender Fechter und Turnierkämpfer. Aber er war … nicht Arthur. Er besaß weder dessen Besonnenheit noch sein Gespür für Politik, erst recht nicht diese natürliche Bescheidenheit, die Arthur so unwiderstehlich machte. Henry war ein ganz normaler Junge. Kein wiedergeborener König Artus aus Camelot. Das konnte dein Vater ihm nie verzeihen, und das wiederum hat Henry immer gewusst. Es war nicht leicht für ihn, weißt du. Für den König, meine ich. Immer mit seinem toten Bruder verglichen zu werden und immer zu wissen, das er dem Vergleich niemals standhalten kann. So etwas nagt an einem Mann, an einem Jungen erst recht. Das ist der wahre Grund, warum Henry deinen Vater hat fallenlassen.«
    »Und heute keinen Finger für ihn rühren wird«, fügte Nick tonlos hinzu.
    »Ich fürchte, so ist es.«
    Es war eine Weile still, nur das Knistern des Feuers im Kamin war zu hören. Langsam stellte Nick den fast unberührten Becher auf den Tisch, verschränkte die Finger im Schoß und sah darauf hinab. Die Finger kamen ihm eigentümlich taub vor, und er fror am Rücken. Er fühlte sich krank. Schließlich zwang er seinen Kopf hoch. »Ich wünschte, mein Vater hätte mir all diese Dinge gesagt. Aber ich bin Euch dankbar, Mylord. Für Eure Freundlichkeit und Offenheit.«
    Suffolk winkte mit einer der großen Soldatenhände ab. »Ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun. Ich habe oft an dich gedacht, weißt du. Du bist mein einziges Patenkind. Ich nehme an, du kennst meinen Ruf als Raufbold und Bigamist – niemand außer deinem Vater wäre auf die verrückte Idee gekommen, einem Kerl wie mir ein Patenkind anzuvertrauen. Aber als Jasper in Ungnade fiel, hat er auch mir den Rücken gekehrt. Vielleicht hat er geglaubt, ich hätte nicht alles getan, was ich konnte, um ihn gegen Kardinal Wolsey zu unterstützen. Womöglich hatte er sogar recht, denn alles, was ich bin und was ich habe, verdanke ich Wolsey.« Ein freudloses Lächeln huschte über das bärtige Gesicht. »Darum sind du und ich uns nach deiner Taufe nie wieder begegnet. Ich habe das bedauert. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, ich sollte irgendetwas für dich tun.« Er zog ein wenig verschämt die Schultern hoch.
    Nick sah ihn unverwandt an. »Es gibt etwas, das Ihr für mich tun könntet, Mylord.«
    Die Scharniere quietschten vernehmlich, als das Gitter sich langsam teilte und das schwarze Wasser sacht plätschern ließ. Noch ehe es ganz offen war, glitt das Boot hindurch. Water Gate hieß dieser Zugang zum Tower, der die alte Festung mit dem Graben und der Themse verband. Eine Wache mit einer Fackel stand auf der untersten Stufe der Treppe, die vom Graben in den St. Thomas Tower führte.
    »Lösch dein Licht«, wies der Wachsoldat den Bootsführer leise an. »Und warte hier.« Dann nickte er dem jungen Waringham zu.
    Nick ignorierte die Hand, die der Mann ihm entgegenstreckte, und gelangte mit einem großen Schritt vom Boot auf die Treppe.
    Wortlos streckte die Wache weiterhin die Hand aus, und Nick ließ die Münzen hineinklimpern, die er in der Faust gehalten hatte. Zehn Schilling. Ein kleines Vermögen. Suffolk hatte sie ihm geborgt und auch alle anderen Arrangements getroffen. Aber er hatte ihn gewarnt: Rechne nicht zu fest damit, dass es klappt, Nick. So vieles kann schiefgehen, und beim ersten Anzeichen von Ärger werden sie dich in dein Boot setzen und zum Teufel jagen. Kein Mann in London riskiert Kardinal Wolseys Zorn. Für kein Geld der Welt …
    Der Soldat in der blau-roten Uniform der Yeoman Warders  – der Wache des Tower – warf einen geübten Blick auf sein Schmiergeld, nickte und ließ es in seinem Beutel verschwinden. Dann bedeutete er Nick, ihm zu folgen, und führte ihn die Treppe hinauf. Sie durchquerten einen nackten Raum im Erdgeschoss des St. Thomas Tower, kamen auf der anderen Seite wieder ins

Weitere Kostenlose Bücher