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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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entschieden den Kopf, obgleich sein Vater es nicht sah. Behutsam, Stückchen für winziges Stückchen, zog er ihm den Ring vom Finger. »Ich werde ihn tragen, wie ein Waringham es sollte. Mit Stolz, Vater. Und mit Ehre.« Er konnte nur beten, dass er nicht zuviel versprach.
    »Hüte dich, mein Sohn. Ehre ist ein … gefährlicher Luxus geworden.«
    Nick hielt seine Hand, beugte sich über ihn und küsste ihm die Stirn. »Mach dir um mich keine Sorgen.«
    Die Tür wurde geöffnet, die Wache erschien auf der Schwelle und winkte ungeduldig.
    Nick schüttelte den Kopf und hob die Hand, Innenfläche nach außen. Dann nickte er auf seinen Vater hinab.
    Der Soldat warf einen kurzen Blick auf die reglose Gestalt im Stroh, verdrehte die Augen, ging aber wieder hinaus und lehnte die Tür an.
    Sein Vater hatte nichts von dem schweigenden Austausch bemerkt. »Sei getröstet, Nick. Ich sterbe nicht umsonst. Wolsey wird fallen … wie Luzifer. Du wirst sehen.«
    Nick erwiderte nichts, denn er konnte seiner Stimme nicht länger trauen. Er spürte, dass dies die letzten Minuten waren.
    »Begrab mich neben deiner Mutter.«
    »Ist gut.« Was immer du willst. Nur trag mir nicht auf, mich um deine Frau und ihre Tochter zu kümmern …
    Aber sein Vater sprach nicht mehr. Er schauderte, öffnete die Augen noch einmal und sah zu Nick auf, und gerade, als seine Lippen ein Lächeln zu formen begannen, brach sein Blick.
    Nick wusste es nicht, aber er hatte das Gefühl, dass eine geraume Zeit vergangen war, als der Yeoman Warder mit einem fein gekleideten Gentleman zurückkam. Der beugte sich über die leblose Gestalt im Stroh, legte die Hand auf die linke Brust und verharrte einen Moment. Dann nickte er. »Er ist tot.«
    Nick blickte nicht auf. Er hatte den Kopf seines Vaters auf sein Bein gebettet, ihm die Augen geschlossen und das verfilzte Haar aus der Stirn gestrichen. Er hatte geglaubt, jetzt, da aller Schmerz ausgestanden war, würden die Züge sich entspannen und friedlich aussehen, aber sie waren nur ausdruckslos. Tot. Nichts sonst.
    »Seid Ihr der Sohn?«, fragte der Mann.
    »Nicholas of Waringham«, murmelte der Junge.
    »William Kingston«, stellte er sich vor. »Ich bin der Constable hier. Mein Beileid, Waringham.«
    Nick hob langsam den Kopf und starrte ihn an.
    »Ich werde ein Auge zudrücken und nicht fragen, wie Ihr hierherkommt«, stellte der Constable in Aussicht. Er sprach brüsk. »Jetzt spielt es ja keine Rolle mehr. Die Wache wird mit einem Sarg herunterkommen. Und der Sarg wird geschlossen, Sir, damit das klar ist.«
    »Warum?«
    »Weil die offizielle Verlautbarung sein wird, dass Euer Vater an einem Fieber gestorben ist. Und wenn Ihr wisst, was gut für Euch ist, werdet Ihr nicht widersprechen.«
    Nick antwortete nicht.
    Der Constable des Tower sah kurz über die Schulter. »Warte draußen, Jenkins«, wies er den Yeoman Warder an. »Oder noch besser, kümmere dich um den Sarg.«
    »Ja, Sir.«
    Sobald sie allein waren, hockte der Constable sich vor Nick ins Stroh. »Habt Ihr keinen älteren Bruder, Sir Nicholas?«
    »Nein.«
    »Dann müsst Ihr schleunigst erwachsen werden, scheint mir. Seht mich nicht an wie ein weidwundes Karnickel. Ihr denkt vielleicht, ich sollte mich schämen, dass ein guter Mann hier unter meinem Kommando zu Tode kommt und ich es vertusche …«
    »Er wurde ermordet«, korrigierte Nick ihn. »Es gab kein Urteil. Nicht einmal eine Anklage. Also ermordet.«
    »Wenn Ihr so wollt. Aber alles, was ich weiß, ist dies: Was hier passiert ist, geschah auf Kardinal Wolseys Befehl. Er ist der Lord Chancellor seiner Majestät. Was er tut, tut er für ihn und für England. Mehr hat mich nicht zu kümmern, denn auch ich diene meinem König. Habt Ihr mich jetzt verstanden?«
    »Wolsey wird fallen«, murmelte Nick. »Wie Luzifer.« Er wies auf seinen Vater. »Das waren beinah seine letzten Worte.«
    Der Constable stand wieder auf. »Wer weiß. Aber bis es so weit ist, würde ich es an Eurer Stelle nicht noch einmal wiederholen. Sonst werden wir uns schneller wiedersehen, als Euch lieb ist, Mylord.« Er wandte sich zur Tür.
    »Lasst Ihr mir noch ein paar Minuten mit ihm, Sir William?«, bat Nick. »Und kann ich ihn waschen und ihm etwas anziehen?«
    »Gewiss. Sagt den Yeoman Warders, was Ihr braucht, sie werden Euch alles besorgen.«
    Vermutlich haben sie jede Menge Übung, dachte Nick bitter, aber das sagte er nicht. Inmitten seiner Düsternis war er doch in der Lage, die Freundlichkeit zu erkennen, die der

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