Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
vielen Verbeugungen wieder zurückzog. Weil Nick sich nicht rührte, bedachte der Ritter ihn mit einem Kopfschütteln, schenkte seinem Herrn einen der kostbaren Glaspokale ein und stellte ihn neben Suffolks Sessel auf den Tisch.
    Nick riss sich lange genug aus seiner Düsternis, um den Geboten der Höflichkeit Genüge zu tun. »Entschuldigung«, murmelte er, stand auf und übernahm es, seinem Gastgeber Fleisch und Brot vorzulegen.
    Suffolk nickte seinem Ritter zu. »Danke, Jerome.«
    Der junge Mann ging hinaus.
    »Greif zu, Nick«, forderte der Duke of Suffolk ihn kauend auf. »Es nützt niemandem, wenn du hungerst.«
    Aber Nicks Kehle war wie zugeschnürt. Er nahm ein Stück Brot, um seinen guten Willen zu bekunden, und einen Becher Wein. Die rechte Hand, die den Krug führte, zitterte. »War es … war es Kardinal Wolsey, der meine Mutter … entehrt hat?«, fragte er, ohne sich umzuwenden.
    In seinem Rücken räusperte der Duke of Suffolk sich ironisch. »Welch vornehme Umschreibung. Ja, es war Wolsey. Man soll es heute nicht für möglich halten, wenn man ihn anschaut, aber vor zehn Jahren war unser Kardinal ein ansehnliches Mannsbild. Viele Damen bei Hofe hätten keine Einwände gehabt, von ihm erwählt zu werden. Aber Thomas Wolsey ist ein Jäger und war es immer schon. Er hat deine Mutter umgarnt, weil sie nur Augen für deinen Vater hatte, und als Umgarnen nichts half, hat er sie in einen Hinterhalt gelockt.«
    Nicks Magen hob sich gefährlich, und er ließ die Brotscheibe achtlos auf den Tisch fallen. Er trank einen Schluck Wein, der wie Essig in seiner Kehle brannte, und wandte sich wieder zu seinem Paten um.
    Der sah ihm ins Gesicht, seufzte dann tief und zuckte die Achseln. »Es war eine abscheuliche Geschichte. Und eine öffentliche. Wolsey hat dafür gesorgt, dass der ganze Hof es wusste. Eleanor … Deine Mutter kehrte nach Waringham zurück und hat sich dort eingesperrt und mit keinem Menschen mehr ein Wort gesprochen – auch mit deinem Vater nicht. Sie hat nur noch darauf gewartet, dass ihre Zeit kam und sie im Kindbett sterben konnte. Dein Vater hat fast den Verstand verloren. Er hat den Kardinal gefordert, und als Wolsey die Stirn hatte, sich mit seiner Priesterwürde herauszureden, hat dein Vater ihn mit dem blanken Schwert bedroht. Ich nehme an, er hätte ihn getötet. Das hätte wohl jeder Mann in so einer Lage getan. Aber der König ging dazwischen und ergriff für den Kardinal Partei.«
    Nick war fassungslos. Er setzte sich wieder, stierte in seinen Becher, und es brodelte in seinem Innern. Er spürte Demütigung, Trauer und vor allem Zorn. Es war wie ein Echo der Empfindungen, die seinen Vater damals niedergedrückt haben mussten. »Warum?«, fragte er schließlich.
    »Warum Henry sich auf Wolseys Seite schlug?«
    Der Junge nickte.
    »Weil er ihn brauchte. Henry hatte keine Ahnung vom Regieren. Die hat er übrigens bis heute nicht. Er brauchte Kardinal Wolsey, weil der der Einzige war, der in dem ewigen Gezänk mit François von Frankreich und dem Kaiser die Übersicht behielt. Und er brauchte ihn, damit der Kardinal die lästigen Regierungsgeschäfte für ihn führte, sodass der König sich den schöneren Pflichten seines Amtes widmen konnte. Jagden, Hoffesten, Turnieren und so weiter. Er und ich haben damals manches Mal die Nacht in den Zelten auf der Turnierwiese verbracht, damit wir am nächsten Morgen noch vor dem Frühstück weitermachen konnten.« Er schüttelte den Kopf. Ein kleines wehmütiges Lächeln über die Torheiten ihrer Jugend schimmerte in den dunklen Augen, doch sie wurden sogleich wieder ernst. »Aber das war es nicht allein. So ungern ich es sage … So sehr es mich schmerzt, es zu sagen, aber die Wahrheit ist wohl, dass der Anlass dem König gerade recht kam. Er hat deinen Vater nie sonderlich gemocht.«
    »Wieso nicht?«
    Suffolk schlug die Beine übereinander. »Ich schätze, du weißt, dass Henry eigentlich gar nicht König werden sollte? Dass er einen älteren Bruder hatte?«
    Natürlich wusste Nick das. »Prinz Arthur. Aber er starb mit fünfzehn Jahren, kurz nach seiner Heirat mit Catalina von Aragon.«
    »Hm, so war’s. Und Henry erbte alles von ihm: die Thronfolge, die Gemahlin und die Freunde. Auch deinen Vater und mich. Aber Jasper und Henry sind nie richtig miteinander zurechtgekommen. Dein Vater und Prinz Arthur waren … wie Brüder. Du kannst dir das nicht vorstellen, Junge. Niemand kam dazwischen. Wo der eine hinging, dort fand man auch den

Weitere Kostenlose Bücher