Der dunkle Thron
erwachten die Menschen aus ihrer Starre, richteten sich wieder auf, strebten ebenfalls in die Halle zum Essen oder gingen ihren Besorgungen nach. Achtlos umrundeten sie Nick und den feinen Gentleman.
Der packte den Jungen roh am Arm und zog ihn auf die Füße. »Bist du von allen guten Geistern verlassen, Nick?«
Dessen Kopf ruckte hoch. »Woher wisst Ihr, wer ich bin?«
»Einer meiner Männer erzählte mir, du seiest ihm über den Weg gelaufen. Ich wollte es nicht glauben, aber als du eben aufgeschaut hast, habe ich dich an den Augen erkannt. Gerade noch rechtzeitig, so scheint es.«
Nick befreite seinen Arm mit einem kleinen Ruck und zog ein paar Schlüsse. »Ihr seid der Duke of Suffolk?«
»Woher weißt du das?«, fragte der Herzog neugierig.
Nick hatte vorhin das Wappen an der Livree des Ritters erkannt, doch er erwiderte: »Man erkennt Euch an den glattzüngigen Lügen, Mylord, so wie mich an den Augen.«
Die Ohrfeige, die ihm das einbrachte, hatte es in sich. Aber der Junge verzog keine Miene und taumelte auch nicht zur Seite.
»Du könntest mir ein bisschen dankbarer sein, Söhnchen«, knurrte der Duke of Suffolk. »Meine glattzüngige Lüge hat dich vor mörderischen Scherereien bewahrt. Der König schätzt es nicht, ohne Vorwarnung an unliebsame, in Ungnade gefallene und im Tower eingesperrte Lords erinnert zu werden. Und im Moment ist mit ihm wirklich nicht zu spaßen.«
»Ah ja?«, konterte Nick. »Nun, auf meine Dankbarkeit müsst Ihr dennoch verzichten, fürchte ich. Diese Chance war ein Gottesgeschenk. Und sagt, was Ihr wollt, ich weigere mich zu glauben, dass der König gutheißt, was meinem Vater geschehen ist.«
Suffolk verzog den Mund zu einem höhnischen kleinen Lächeln. Es passte nicht zu seinem rundlichen, eher gutmütigen Gesicht. Bart- und Kopfhaar waren braun und von ein paar grauen Fäden durchzogen, und der Herzog hatte die Statur eines Soldaten. Er war ein paar Jahre älter als sein Vater, wusste Nick, und die wenigen militärischen Triumphe, die König Henry vorzuweisen hatte, verdankte er vornehmlich diesem Mann. »Wenn du das glaubst, bist du ein Unschuldslamm«, eröffnete Suffolk ihm. »Und soll ich dir sagen, was hier mit Unschuldslämmern geschieht? Sie werden geschlachtet. Als dein Pate war es meine Pflicht, das zu verhindern, denkst du nicht?«
Nick konnte ein Schnauben nicht ganz unterdrücken. »Ihr habt Euch vierzehn Jahre einen Dreck um mich gekümmert. Ich würde es vorziehen, wenn Ihr es dabei beließet. Ich komme schon allein zurecht, vielen Dank.«
»Ja, das haben wir eben gesehen, nicht wahr? Sag, was suchst du eigentlich hier?«
»Sir Thomas Mores Rat und Hilfe.«
»Ah. Noch eine törichte Idee. Falls es einen Mann in England gibt, der glaubt, dein Vater habe dieses Vorwort für Fishs blöde Ketzerschmiererei wirklich verfasst, dann ist es Thomas More.«
»Nicht, wenn ich ihm sage, dass mein Vater mir das Gegenteil geschworen hat.«
»Sei nicht so sicher«, warnte der Herzog ernst. »More ist unerbittlich in seinem Kampf gegen die Ketzerei.«
»Er wird mir trotzdem helfen. Ich kenne ihn. Und, bei allem Respekt, Mylord, ich vertraue lieber auf seine Art von Hilfe als auf die Eure.«
Der Herzog schlug ihn noch einmal. »Ich kann nicht sagen, dass dein Ton mir sonderlich gefällt, Söhnchen.«
»Dann geht doch weg, sucht Euch jemanden, dessen Ton Euch genehmer ist, und lasst mich endlich zufrieden«, schlug Nick wütend vor.
Stattdessen packte sein Pate ihn wieder am Arm und zerrte ihn fort von der Halle, auf der anderen Hofseite durch eine Tür, eine Treppe hinauf zu einem von Fackeln erhellten Korridor mit vielen Türen. Er öffnete die dritte auf der rechten Seite und beförderte Nick mit einem Tritt über die Schwelle.
Der Junge geriet ins Taumeln, schlug der Länge nach hin, und ehe er aufspringen konnte, war Suffolk über ihm, hatte ihn am Ohr gepackt und auf die Knie gezerrt. »Ich bin bereit, dir zuzugestehen, dass du nicht weißt, was du redest, weil du um deinen Vater bangst, aber wenn du dich nicht vorsiehst, mein Junge, wird unsere gemeinsame Zukunft damit beginnen, dass ich dich windelweich prügele.«
Nick verharrte reglos und biss sich vorsorglich auf die Zunge, denn darauf legte er nicht den geringsten Wert.
»Ich weiß, was ihr alten Adelsfamilien mit euren ellenlangen Stammbäumen über Männer wie mich denkt. Aber Emporkömmling oder nicht, ich bin dein Pate und der Duke of Suffolk. Und du wirst mir Respekt erweisen, ist das
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