Der dunkle Thron
Vater gemacht hatte.
»Ihr habt recht«, bekannte er. »Vermutlich ist es eine himmelschreiende Sünde, ein Urteil über einen Jungen zu fällen, der kaum Chancen hat, seinen sechzehnten Geburtstag zu erleben, aber ich werde ihm keine Träne nachweinen.«
»Nein«, brummte Norfolk. »Ich auch nicht.«
»Ihr wisst, was Henrys Testament bestimmt. So unvorstellbar es uns auch erscheinen mag: Mary wird die nächste Königin von England.«
»Ihr seid immer noch derselbe Narr, Waringham«, widersprach Norfolk. »Das wird Northumberland nie und nimmer zulassen. Und selbst wenn es dazu käme. Was, glaubt Ihr, kümmert mich all das noch? Ich bin achtzig Jahre alt, verflucht noch mal!«
»Ich weiß, Mylord. Aber Ihr wollt nicht hier sterben, oder?«
Waringham, Juni 1553
»Willst du diese Frau zu deinem angetrauten Weibe nehmen und mit ihr nach Gottes Gebot im heiligen Stand der Ehe leben? Willst du sie lieben und trösten, sie ehren und halten in Krankheit und Gesundheit? Willst du allen anderen entsagen und ihr allein angehören, solange ihr lebt?«, las Anthony Pargeter vor.
Francis strahlte ihn an. »Ich will.«
Anthony wandte sich an die Braut. »Willst du diesen Mann zu deinem angetrauten Gemahl nehmen und mit ihm nach Gottes Gebot im heiligen Stand der Ehe leben? Willst du ihm gehorchen und dienen, ihn lieben …«, er blätterte um, »… ehren und halten, in Krankheit und Gesundheit? Willst du allen anderen entsagen und ihm allein angehören, solange ihr lebt?«
»Ich will«, antwortete Millicent. Ihre Miene war ernst, denn sie empfand Ehrfurcht vor der Bedeutung dieses Augenblicks, aber ihre schönen blauen Augen leuchteten.
Pastor Pargeter sah wieder auf das aufgeschlagene Book of Common Prayer in seinen Händen hinab, suchte einen Moment die Zeile, mit der er fortfahren musste, und las dann: »Wer führt diese Frau ihrem Bräutigam zu?«
Nick trat einen Schritt vor und ergriff Millicents Rechte.
»Aber du bist der Vater des Bräutigams, Nick«, wandte der Pastor unsicher ein.
»Was du nicht sagst.«
Anthony zauderte. »Ich bin nicht sicher, ob das zulässig ist. Hier steht: Nun empfängt der Geistliche die Braut von der Hand ihres Vaters oder Vormunds .«
»Oh, nun komm schon, Anthony«, entgegnete Nick ungeduldig. »Ihr Vater ist tot, ihr Vormund sitzt im Tower. Ich bin überzeugt, ein Stellvertreter darf die Braut ebenso führen. Cranmer hat nur vergessen, den Fall in seinem Buch zu berücksichtigen.«
Anthony räusperte sich. Er war nervös. Es war nicht ungefährlich, von den Vorschriften des Book of Common Prayer abzuweichen, und er blickte ratsuchend zu Pollys Gemahl, der zwar kein Theologe, aber der eifrigste Reformer unter der Hochzeitsgesellschaft war. »Lord Willoughby?«
»Ich schätze, das geht in Ordnung«, beschied der lächelnd.
Das Lächeln erschien Nick gönnerhaft, aber er wusste, dass er Willoughby nur deswegen nicht leiden konnte, weil der es gewagt hatte, Nicks ehemalige Gemahlin zu heiraten. Das war albern, von ungerecht ganz zu schweigen, aber diese Einsicht änderte nichts an seiner Eifersucht, die er freilich nur sich selbst eingestand.
Beruhigt fuhr Anthony Pargeter mit der Trauungszeremonie fort, die nach den neuen Regeln im Innern des Gotteshauses, nicht mehr am Kirchenportal stattfand. Nick ließ seinen Blick über die bunten Tupfen wandern, die die Sonne durch die farbigen Butzenscheiben auf die gekalkten Wände warf. Ein bisschen wehmütig dachte er an die Wandmalereien zurück, die zwar nicht besonders kunstfertig, dafür aber lebhaft und fröhlich gewesen waren und Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament dargestellt hatten. Sie hatten sie überstreichen müssen, denn die Reformer hatten dergleichen verboten. Was konnte es schaden, wenn Kirchenwände Geschichten aus der Bibel für diejenigen erzählten, die nicht lesen konnten?, fragte Nick sich zum tausendsten Mal. Doch als sein Sohn den goldenen Ring von der Bibel nahm, die Anthony ihm hinhielt, und Millicents linke Hand ergriff, schenkte Nick den Geschehnissen wieder seine volle Aufmerksamkeit.
»Mit diesem Ring nehme ich dich zur Frau«, gelobte der junge Bräutigam und sah seiner Liebsten tief in die Augen, während er ihr den Ring ansteckte. »Dieses Gold gebe ich dir. Mit meinem Leib will ich dir huldigen und will all meine weltliche Habe mit dir teilen. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
Nur Nick und Janis schlugen das Kreuzzeichen und ernteten von Polly prompt ein
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