Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
verbannt. Während all dieser Stürme hatte Eleanor unerschütterlich an Elizabeths Seite gestanden, und wann immer Mary ihre jüngere Schwester ob ihres angeblich zu freizügigen Lebenswandels rügte, hatte Eleanor sich ebenso angegriffen gefühlt.
    »Ich werde dich zu nichts zwingen, Eleanor …«
    »Das würde ich dir auch nicht raten, Vater.«
    »… aber du kannst deine Zukunft nicht ganz und gar von Lady Elizabeths abhängig machen.«
    »Nein?«, gab sie zurück. »Wieso durftest du dann deine Zukunft – und Mutters und unsere – von Lady Marys abhängig machen?«
    »Das war etwas anderes«, widersprach er entrüstet.
    »Das kommt dir nur so vor, weil du ein Mann bist und ich eine Frau. Aber wenn du mal genau hinschaust, ist das Prinzip das gleiche.«
    Er blieb stehen und sah seine Tochter aufmerksam an. »Vielleicht hast du recht. Das ändert indessen nichts daran, dass du bald heiraten musst.«
    »Ich heirate nicht, ehe sie es tut, denn das würde uns unweigerlich auseinanderreißen. Sie braucht mich, Vater. Wenn Edward stirbt, braucht sie mich mehr denn je.«
    »Ich bin nicht sicher, dass ich verstehe, was das heißen soll.«
    »Was nur daran liegen kann, dass du es nicht verstehen willst.«
    »Eleanor, um Himmels willen … Elizabeth glaubt nicht im Ernst, sie hätte von ihrer Schwester irgendetwas zu befürchten, oder?«
    Sie betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Und du glaubst nicht im Ernst, Northumberland würde jemals zulassen, dass Mary den Thron besteigt, oder?«

London, Juli 1553
    »Nimm die Schultern zurück, Paul.«
    »Ja, Mylord.« Der vielleicht achtjährige Waisenjunge richtete sich stolz auf. Die erste Reitstunde seines Lebens hatte ein seliges Funkeln in seine Augen gezaubert, und vor lauter Eifer lugte seine Zungenspitze zwischen den Zähnen hervor.
    »Fersen runter, Fußspitzen nach innen. Und nimm die Zunge hinter die Zähne, sonst könnte es passieren, dass du ein Stückchen davon abbeißt, sollte dein Pferd einmal stolpern.«
    Die Zungenspitze verschwand umgehend.
    Das stämmige Pony, welches Nick für Isabella gekauft hatte, besaß indes einen sicheren Schritt. Er hatte es im Innenhof der Krippe an die Longe genommen, und nachdem er sich überzeugt hatte, dass es so lammfromm war, wie es tat, hatte er das erste der Kinder aufsitzen lassen.
    Master Gerard, die Köchin Martha und Schwester Eloise, die Janis’ Platz in der Krippe eingenommen hatte, standen mit den übrigen Waisen entlang der Wand des Schulhauses und schauten zu. Als Nick dem Pony zuschnalzte und es antrabte, gab es neidvolles Raunen.
    »Nur die Ruhe, Männer. Ihr kommt alle an die Reihe«, versprach Nick.
    »Was ist mit uns, Mylord?«, fragte Harriet, eines der größeren Mädchen.
    »Natürlich. Auch die Mädchen, so sie denn wollen.«
    Master Gerard runzelte erwartungsgemäß die Stirn, aber Nick tat, als bemerke er es nicht. Es kam selten genug vor, dass den Kindern hier einmal jemand eine Freude machte. Den Zöglingen seiner Schule in Waringham erteilte Nick regelmäßig an jedem Sonnabend Reitunterricht – Jungen und Mädchen gleichermaßen –, unterwies sie in der Beizjagd und die Knaben im Umgang mit Schwert und Lanze. Es machte ihm Spaß, ihre Fortschritte zu beobachten, und die Kinder fieberten den Sonnabenden immer entgegen. Manchmal plagte Nick sein Gewissen, dass die Waisen in der Krippe, die ja ebenso seine Schutzbefohlenen waren, auf all diese Dinge verzichten mussten.
    Er hielt das Pony an. »Absitzen, Paul.«
    »Och … Schon?« Aber er gehorchte.
    »Klopf ihm den Hals, dann weiß er, dass er seine Sache gut gemacht hat.«
    Noch ein wenig scheu folgte Paul der Aufforderung. »Wie heißt er denn eigentlich?«
    »Shorty.«
    Es war wenig originell, aber Shorty wandte den Kopf, als er seinen Namen hörte, und vergrub die Nüstern einen Moment in Nicks Armbeuge.
    Der strich ihm über die sandfarbene Stirnlocke. Shorty war ein gutartiges, anhängliches Geschöpf, das hatte er gleich gewusst. Behutsam schob er den Kopf beiseite und blickte der Reihe nach in die erwartungsvollen Gesichter. »Jerry. Du bist der Nächste.«
    Die unverhoffte Reitstunde hatte die Kinder in Festtagsstimmung versetzt, und ausnahmsweise duldete Master Gerard ihre aufgeregten Tischgespräche während des Essens.
    Nick leistete ihm und Schwester Eloise am unteren Tischende Gesellschaft.
    »Warum habt Ihr Eure Gemahlin nicht mitgebracht, Mylord?«, fragte die Nonne, die schon keine junge Frau mehr gewesen war, als ihr Kloster

Weitere Kostenlose Bücher