Der dunkle Thron
haben, weil sie ihm misstrauten und nicht glaubten, dass er die Scheidung tatsächlich mit aller Entschlossenheit betrieb.«
»Wie auch immer. Um Wolsey ist es nicht schade.«
»Weiß Gott nicht«, pflichtete Philipp ihm bei. »Aber es heißt, der König vermisse ihn.«
»Dann lass uns hoffen, dass er ihn nicht zurückholt.«
»Wolsey ist krank, Nick. Ich schätze, er macht es nicht mehr lange.«
»Glückliche Höllenfahrt, Eminenz«, knurrte Nick. »Und wer soll nun das Wunder vollbringen, den Papst zu überreden, die Ehe zu annullieren? Sir Thomas More gewiss nicht.«
Philipp schüttelte den Kopf. »Niemand weiß, wie diese Sache weitergehen soll.«
»Nun, zum Glück sind die Sorgen des Königs und der Königin nicht unsere«, bemerkte Nick.
Philipp sprang von seinem Sessel auf, als Laura mit dem schweren gusseisernen Kessel in den Händen in die Halle zurückkehrte. »Bist du von Sinnen, Frau«, schalt er erschrocken.
Mit einem erleichterten Lächeln ließ sie sich den Kessel abnehmen. »Danke. Ich glaube, jetzt ist sie halbwegs essbar.«
Die kleine Helen folgte ihr mit einem Tablett mit Bechern und einem Zinnkrug.
Essbar traf zu, aber mehr auch nicht, stellte Nick fest. Doch allmählich vertrieb das Feuer die feuchte Kälte in der Halle, und Philipp schenkte ihnen allen einen Becher Wein ein. »Jetzt erzähl uns, wie geht es in Waringham, Schwager?«
Nick trank dankbar einen Schluck. »Ich weiß nicht, was ich ohne Jerome Dudley täte«, bekannte er dann. »Er ist … ein großartiger Freund. Er hat mir so viele Dinge beigebracht in den Wintermonaten – von Fechten bis Buchführung –, das werde ich nie gutmachen können.« Und es war eine enorme Beruhigung, ihn in der Nähe zu haben, wenn Edmund Howard zu Besuch kam – was leider häufig der Fall war.
»Und du und er wohnt wirklich im Bergfried?«, wollte Laura wissen.
Er nickte. »Der Zimmermann hat ihn notdürftig ausgebessert, und sobald ich kann, kaufe ich Steine und setze ihn nach und nach wieder instand.«
Seine Schwester sah ihn unverwandt an. »Und was sagst du mir nicht? Was ist mit Ray?«
Er senkte einen Moment den Blick. »Tja, Ray … Ich weiß nicht, was Sumpfhexe ihm erzählt, aber sie versucht, ihn gegen mich aufzubringen. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, sie hat Erfolg. An anderen Tagen hängt er wie eine Klette an mir. Ich schätze, er weiß nicht, was er denken soll, und ist unglücklich. Er fühlt sich allein gelassen. Erst Vater, dann du, jetzt ist Brechnuss an den Hof gegangen. Er ist einsam und wütend.«
»Mein armer kleiner Bruder«, murmelte Laura niedergeschlagen.
Nick ahnte, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte. Ihm erging es nicht anders. Und kurz vor seiner Abreise nach London hatte Polly ihm erzählt, ihre Mutter habe gehört, Sumpfhexe wolle dafür sorgen, dass einer ihrer Brüder Raymonds Vormund werde und den Jungen in seinen Haushalt nehme, sobald er alt genug wurde. Aber davon sagte Nick nichts. Es reichte ja, wenn der Gedanke ihn um den Schlaf brachte.
Er hatte eigentlich nur zwei oder drei Tage in London bleiben wollen, doch am Montagvormittag kam ein Diener eines angesehenen Wollkaufmanns und fragte, ob es hier wirklich einen Waringham gäbe, der bereit sei, seinen Herrn bei der Auswahl eines neuen Reitpferdes zu beraten. Am Nachmittag kam der Gehilfe eines Rechtsgelehrten von Gray’s Inn mit der gleichen Frage. Da der Name Waringham für die meisten Leute gleichbedeutend mit Pferdeverstand war, schien Nicks neue Geschäftsidee in Schwung zu kommen, ehe er sich auch nur überlegt hatte, wie viel er für seine Dienste verlangen sollte. Doch er erbot sich bereitwillig, die Gentlemen oder ihre Diener am Freitag nach Ostern auf den Pferdemarkt zu begleiten und zu sehen, was er für sie tun könne.
»Nimm ein Zwanzigstel der Kaufsumme«, riet ihm sein Schwager. »Das nehmen Wollagenten auch, daran sind die Kaufleute gewöhnt.«
»Aber werden sie nicht argwöhnen, dass ich die Preise absichtlich nicht weit genug herunterhandele, wenn ich meinen Lohn von der Höhe des Kaufpreises abhängig mache?«
Doch Philipp beruhigte ihn: »Dein guter Name bedeutet Vertrauensvorschuss. Und es wird sich schnell herumsprechen, ob du ehrlich oder ein Gauner bist. Diese Stadt wird von Krämern regiert, vergiss das nicht. Die lassen sich nicht so leicht hinters Licht führen.«
»Auch dein guter Name könnte dir einen Vertrauensvorschuss gewährleisten«, bemerkte Nick. »Vielleicht solltest du die Anzahlung
Weitere Kostenlose Bücher