Der dunkle Thron
von der Seite. »Ihr seid ein ziemlich gerissener Geschäftsmann für einen Lord, wenn Ihr meine Offenheit verzeihen wollt.«
»Ich werde es einfach als Kompliment auffassen«, erwiderte Nick. »Es tut mir leid, wenn ich Euch desillusioniere, aber von Noblesse allein kann niemand leben, Ferryman.«
Sein Großvater und schon dessen Vater vor ihm hatten das begriffen, hatten die Pferdezucht modernisiert und die Rohwolle, die in Waringham produziert wurde, mit eigenen Schiffen auf den Kontinent bringen lassen. Doch Nicks Vater hatte über solchen Geschäftssinn nur die Nase gerümpft und lieber Ketzerschriften verfasst, als an die Zukunft seines Sohnes zu denken. Und Nick hatte jetzt die Folgen zu tragen.
Das sagte auch sein Schwager Philipp, als sie abends in Nicks Haus in Farringdon beisammensaßen, den prallen Beutel voller Gold vor sich auf der Tischplatte. »Wir werden dieses Geld teilen, Nicholas. Keine Widerrede«, fuhr er bestimmt fort, als Nick protestieren wollte. »Ich weiß, dass deine Stiefmutter dir deinen Anteil der Pachteinnahmen vorenthält und du Schulden gemacht hast, um Pferde und Futter für dein Gestüt zu kaufen. Du brauchst mindestens so dringend Kapital wie ich.«
»Es wird meinen Vormund nicht an den Bettelstab bringen, wenn er ein, zwei Jahre auf die hundert Pfund warten muss, die er mir geborgt hat«, widersprach Nick. »Er hat selbst gesagt, es hätte keine Eile. Und mit Verlaub, ich kann mir zumindest noch leisten zu heizen.«
Er sah vielsagend auf den kalten Kamin. Es war empfindlich kühl in der Halle, denn der kalte Wind, der am Nachmittag Regen gebracht hatte, pfiff durch die undichten Fensterrahmen. Laura, die still an Philipps Seite saß, wirkte untypisch verzagt und verfroren, obwohl sie sich in eine dicke Decke gewickelt hatte. Sie war hochschwanger. Nick sah Furcht in ihren Augen, und das war er von seiner großen Schwester nicht gewohnt. Als Kinder hatten sie oft Angst gehabt, aber gerade Laura hatte es verstanden, ein Geheimnis daraus zu machen.
»Was in aller Welt ist hier los?«, fragte Nick ihren Mann.
Philipp senkte einen Moment den Blick und antwortete nicht sofort. Eine junge Magd – fast noch ein Kind – kam herein, brachte ihnen dünne Fastensuppe und zündete zwei Kerzen an. Als sie wieder verschwunden war, sagte Philipp: »Ich habe in den letzten drei Monaten zweimal meine Stellung verloren. Erst habe ich als Gehilfe meines Onkels gearbeitet, aber er hat mich rausgeworfen. Einen Tag vor Weihnachten«, fügte er mit einem Anflug von Bitterkeit hinzu. »Dann habe ich bei einem anderen angesehenen Kaufherrn angefangen, aber nach kaum einem Monat hat auch der mich entlassen.«
Nick fiel aus allen Wolken. »Warum?«
Philipp und Laura wechselten einen Blick, und es war sie, die schließlich antwortete: »Weil wir Reformer sind, Bruder.«
»Oh. Verstehe.« Er hörte selbst, dass es kühl klang.
»Mein Onkel hat mich erwischt, als ich einem seiner Lehrlinge meine englische Bibel geliehen habe«, erzählte Philipp bedrückt. »Ich sag dir, der Junge hat so teuer bezahlt, er wird nie wieder ein verbotenes Buch anrühren. Als mein Onkel mit ihm fertig war, dachte ich, ich käme als nächster an die Reihe. Er war … außer sich, kann man wohl sagen. Aber er hat mich lediglich davon in Kenntnis gesetzt, dass er keine Verwendung mehr für mich habe. Und er prophezeite mir finanzielle Nöte.« Mit einem unglücklichen kleinen Lächeln hob er die Schultern. »Ich weiß nicht, was er der Londoner Kaufmannschaft über mich erzählt. Vermutlich die Wahrheit, denn zu lügen wäre unter der Würde eines Nathaniel Durham. Jedenfalls will mich niemand mehr haben.«
»Du kannst froh sein, dass du nicht verhaftet worden bist«, bemerkte Nick beklommen.
»Bin ich.«
Nicht nur der Ton gegenüber den Reformern hatte sich im Laufe der vergangenen Monate verschärft, sondern auch die Zahl der Verhaftungen war gestiegen. Der alte Erzbischof von Canterbury und der neue Lord Chancellor, Sir Thomas More, schienen entschlossen, mit aller Härte gegen jede Form von Häresie vorzugehen. In Waringham hörte man nicht viel von solchen Dingen, aber selbst dort kursierten schaurige Geschichten, was im Lollarden-Turm im Londoner Palast des Erzbischofs von Canterbury und im Tower mit den verhafteten Ketzern geschah, um sie zur Umkehr zu bewegen, ehe die Unbelehrbaren in Smithfield verbrannt wurden. Auch das hatte zugenommen, wusste Nick.
Laura verteilte die Suppe und schob jedem der Männer
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