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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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auf Lauras Mitgift nehmen und dich in Norwich oder Bristol in eine Tuchhändlergilde einkaufen. Wenigstens bis der Zorn deines Onkels sich gelegt hat.«
    Philipp nickte. »Ja. Das wäre vermutlich das Beste.« Aber man konnte hören, dass die Vorstellung ihn nicht entzückte. Alle Londoner rümpften die Nase über die kleineren Städte im Land. »Vielleicht sollten wir lieber … Du meine Güte, Nick.« Er wies aus dem Fenster der Halle in den Hof hinunter. »Da kommt schon wieder ein Bote. Bestimmt dein nächster Kunde.« Er seufzte. »Du bist zu beneiden …«
    Doch es stellte sich heraus, dass dieser Bote nicht gekommen war, weil sein Herr ein Pferd kaufen wollte. Philipp und Nick tauschten ungläubige Blicke, als sie den Granatapfel auf der Livree des Reiters erkannten.
    Philipp sah seinen Schwager an. »Wie sagtest du vor ein paar Tagen? ›Zum Glück sind die Sorgen des Königs und der Königin nicht unsere?‹ Ich habe das Gefühl, das erweist sich gerade als Irrtum.«
    »Gott steh mir bei«, murmelte Nick und lehnte die Stirn an die kühlen Butzenscheiben. »Was in aller Welt will sie von mir?«
    Darüber konnte oder wollte der Bote keine Auskunft geben. Alles, was er sagte, war: »Albert Devereux, Mylord. Die Königin bittet Euch zu sich.«
    Devereux?, dachte Nick. Dann sind wir vermutlich verwandt. Aber das erwähnte er nicht. Stattdessen fragte er: »Woher weiß die Königin, dass ich hier bin?«
    »Von Chapuys, dem Botschafter Seiner kaiserlichen Majestät, nehm ich an«, gab der junge Bote achselzuckend zurück und sah sich verstohlen in der wenig prunkvollen Halle um. »Chapuys weiß alles, Mylord.«
    Nick hatte schon von diesem neuen Botschafter gehört, den der Kaiser im September nach England geschickt hatte. Kaiser Karl war ein Neffe der Königin – der Sohn ihrer Schwester Juana –, und es hieß, er tue alles, um seine Tante Catalina im Kampf um ihren Gemahl und ihre Krone zu unterstützen. So war es gewiss kein Zufall, dass er einen ausgefuchsten Juristen als neuen Gesandten geschickt hatte, der, so hieß es, in nur wenigen Monaten in England ein unvergleichliches Spionagenetz geknüpft hatte.
    »Also schön«, antwortete Nick. Was blieb ihm schon anderes übrig? »Ich komme. Aber sie wird mich nehmen müssen, wie ich bin, fürchte ich. Ich habe keine anderen Kleider hier, denn ich hatte nicht mit einer Einladung an den Hof gerechnet.«
    Devereux quittierte seinen spöttischen Tonfall mit einem wissenden Grinsen. »Zerbrecht Euch deswegen nicht den Kopf. Sie selbst sieht zwar immer aus wie ein Gemälde, aber ich glaube, in Wirklichkeit legt sie nicht viel Wert auf Äußerlichkeiten. Zu fromm, versteht Ihr.«
    »Dann lasst uns gehen.« Nick stieg ohne Hast vor ihm die Treppe hinab und setzte alles daran, gelassen zu erscheinen. Dabei schlug ihm das Herz bis zum Halse. Warum auch immer Königin Catalina nach ihm schicken mochte – es konnte nichts Gutes bedeuten. Die Geschichte seines Vaters und anderer Waringham vor ihm lehrte, dass es ausgesprochen ungesund sein konnte, sich in die Intrigen bei Hofe und die Angelegenheiten der Krone verwickeln zu lassen, und das galt unter diesem König wohl in ganz besonderem Maße.
    »Bridewell oder Hampton Court?«, fragte er, als sie in den Hof traten.
    »Weder noch, Mylord«, gab Albert Devereux zurück. »Der Hof residiert in Whitehall.«
    »Wo ist das?«, fragte Nick verwirrt. »Brauche ich ein Pferd, oder nehmen wir ein Boot?«
    »Es ist der neue Name des Palastes, der bis vor Kurzem dem Erzbischof von York gehörte.«
    »Der König hat Wolseys neuen Prachtbau beschlagnahmt?« Nick konnte die Schadenfreude nicht ganz aus seiner Stimme heraushalten. Der Kardinal fristete in Esher ein ärmliches Dasein unter Hausarrest, wurde immer einsamer und immer kränker, während der König sich schon wieder einen seiner liebevoll entworfenen Paläste unter den Nagel gerissen hatte. »Muss bitter für den Ärmsten sein.«
    Der Ritter der Königin nickte unverbindlich. Im Gegensatz zu Nick beherrschte er die Kunst, zu verbergen, was er dachte. Er saß auf und wartete geduldig, während Nick sein Pferd sattelte und aus dem Stall führte.
    Es dämmerte bereits, als sie die Wachen am Haupttor passierten und in den weitläufigen Park von Whitehall ritten, der einer Schlammwüste glich, weil hier noch überall gebaut wurde und auch die Gärten noch nicht fertig angelegt waren. Nick fragte sich, warum der König nicht in Hampton Court oder Greenwich oder einer seiner

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