Der Dunkle Turm 2 - Drei
oder sie wollte ihre Stimme für künftige Erschreckmanöver und Störungen schonen, oder – möglicherweise, nur möglicherweise – Odetta hatte ihn gehört und hatte die Kontrolle ausgeübt, um die der Revolvermann sie gebeten hatte.
Schließlich schlief Eddie ein, aber er erwachte zerschlagen und nicht erfrischt. Er sah zum Rollstuhl und hoffte wider alle Hoffnung, es möge Odetta sein, »bitte, lieber Gott, laß es heute morgen Odetta sein…«
»Morn, Weißbrot«, sagte Detta und grinste ihn mit ihrem Haifischgrinsen an. »Dachte schon, du willst’n gansn Tach schlafn. Aber das kannste nich’ machen, was? Wir müssn ‘n paar Meiln weiter, isses nich so? Klaro! Und ich schätze, du mußts Schieben allein übernehmn, weiler annere Bursche, der mitten Voodooaugn, der sieht imma schlechta aus. Das tuter! Glaub nich, dasser noch lange irjndwas essen kann, nichmal ‘s gute Rauchfleisch, was ihr Weißbrote freßt, wenner euch annen winzigen weißen Pimmeln rumgemacht habt. Also los, Weißbrot! Detta will nie nich diejenje sein, was dich aufhalten tut.«
Ihre Lider sanken ein wenig herunter, ihre Stimme wurde tiefer; die Augen sahen ihn aus den Augenwinkeln verschlagen an.
»Jedenfalls nich vom Losgehn.«
Wird’n Tach werden, an dende dich erinnerst, Weißbrot, versprachen diese verschlagenen Augen. Wird’n Tach werden, an dende dich verflixt lang erinnern wirst.
Klaro.
14
Sie schafften an diesem Tag drei Meilen, vielleicht eine Winzigkeit weniger. Dettas Stuhl kippte zweimal um. Einmal machte sie es selbst, indem sie die Finger wieder langsam und unauffällig zur Handbremse schob und zog. Beim zweitenmal gelang es Eddie ganz ohne Hilfe, weil er in einer der verdammten Sandfallen zu heftig schob. Das war gegen Ende des Tages, und er geriet einfach in Panik, weil er dachte, daß er sie diesmal nicht herausbringen würde, unmöglich. Daher gab er ihr mit seinen zitternden Armen diesen letzten heftigen Stoß der natürlich viel zu fest gewesen war, und sie kippte um wie Humpty Dumpty, der von seiner Mauer gestürzt war, und er und Roland hatten Mühe gehabt, sie wieder aufzurichten. Sie wurden gerade noch rechtzeitig damit fertig. Das Seil unter ihren Brüsten war straff über die Luftröhre gespannt. Der wirkungsvolle rutschende Knoten des Revolvermanns würgte sie. Ihr Gesicht hatte eine komische blaue Färbung angenommen, und sie war kurz davor, das Bewußtsein zu verlieren, und dennoch winselte sie ihr garstiges Lachen heraus.
Laß sie doch einfach, warum denn nicht? hätte Eddie beinahe gesagt, als sich Roland rasch nach vorn beugte, um den Knoten aufzumachen. Laß sie doch ersticken! Ich weiß nicht, ob sie sich selbstfertigmachen will, wie du gesagt hast, aber ich weiß, daß sie UNS fertigmachen will… also laß sie doch!
Dann erinnerte er sich an Odetta (wenngleich ihre Begegnung so kurz gewesen war und so lange her zu sein schien, daß die Erinnerung vage wurde) und eilte ihm zu Hilfe.
Der Revolvermann stieß ihn ungeduldig mit einer Hand weg. »Nur Platz für einen.«
Als das Seil gelockert war und die Herrin rasselnd nach Luft schnappte (die sie in Salven ihres gehässigen Lachens wieder ausstieß), drehte er sich um und sah Eddie kritisch an. »Ich glaube, wir sollten für heute Schluß machen.«
»Noch ein Stück weiter.« Er flehte beinahe. »Ich kann noch ein Stück gehen.«
»Klaro! Er issn kräftiger Kerl. Er kann noch ‘ne Reihe Baumwolle hackn und hat immah noch genug Energie, dasser heut nacht dein’ blassn kleinen Pimmel gut lutschn kann.«
Sie aß immer noch nicht, und ihr Gesicht bestand aus tiefen Furchen und harten Kanten. Ihre Augen glitzerten tief in den Höhlen.
Roland beachtete sie überhaupt nicht, sondern sah nur Eddie an. Schließlich nickte er. »Noch ein Stück. Nicht mehr weit, aber ein Stück.«
Zwanzig Minuten später gab Eddie selbst auf. Seine Arme fühlten sich wie Gallert an.
Sie saßen im Schatten der Felsen und lauschten den Möwen, sahen zu, wie die Flut kam, warteten darauf, daß die Sonne unterging und die Monsterhummer herauskamen und mit ihren unerschöpflichen Kreuzverhören anfingen.
Roland sagte Eddie mit so leiser Stimme, daß Detta es nicht hören konnte, sie hätten wahrscheinlich keine funktionierenden Patronen mehr. Eddie verkniff den Mund ein wenig, aber das war alles. Roland war zufrieden.
»Du wirst selbst einem den Schädel einschlagen müssen«, sagte Roland. »Ich bin so schwach, daß ich keinen Stein heben kann, der
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