Der Dunkle Turm 2 - Drei
schau mal, obber Jungs auf Zack seid«, sagte sie. »Könnten Wölfe hier sein. Sieht nach Wolfsland aus. Wollte mir vergewissahn, obbich euch beizeiten auffe Beine kriegen würde, wennich ‘n Wolf seh’, der sich anschleicht.« Aber es war keine Furcht in ihren Augen; sie funkelten vor boshafter Freude.
»Herrgott«, sagte Eddie benommen. Der Mond war am Himmel, aber er war gerade erst aufgegangen; sie hatten weniger als zwei Stunden geschlafen.
Der Revolvermann steckte den Revolver in den Halfter.
»Mach das nicht noch mal«, sagte er zur Herrin im Rollstuhl.
»Was wirst’n machen, wenn ichs tue? Mich vergewaltijn?«
»Wenn wir dich vergewaltigen wollten, dann wärst du inzwischen schon eine häufig vergewaltigte Frau«, sagte der Revolvermann tonlos. »Mach es nicht noch einmal.«
Er legte sich wieder hin und zog die Decke über sich.
Heiland, gütiger Heiland, dachte Eddie, was für ein Schlamassel, was für ein verfluchtes… und weiter kam er nicht, denn er versank wieder in einen erschöpften Schlaf, und dann zerriß sie die Luft mit neuen schrillen Schreien, sie kreischte wie eine Feuersirene, und Eddie war wieder auf, Adrenalin brannte in seinem Körper, er hatte die Fäuste geballt, und dann lachte sie, heiser und rauh.
Eddie sah auf und stellte fest, daß sich der Mond, seit sie sie zum letztenmal geweckt hatte, keine zehn Grad weiterbewegt hatte.
Sie will es die ganze Nacht machen, dachte er müde. Sie will wach bleiben und uns beobachten, und wenn sie sicher ist, daß wir tief schlafen, um neue Kräfte zu sammeln, wird sie den Mund aufmachen und wieder anfangen zu kreischen. Das wird sie immer weiter machen, bis sie keine Stimme mehr hat, mit der sie kreischen kann.
Ihr Lachen hörte unvermittelt auf. Roland näherte sich ihr, eine dunkle Gestalt im Mondlicht.
»Bleibma vom Leib, Blaßfleisch«, sagte Detta, aber ihre Stimme hatte einen nervösen, zitternden Unterton. »Du wirstmer nix tun.«
Roland stand vor ihr, und Eddie war einen Augenblick sicher, vollkommen sicher, daß der Revolvermann das Ende seiner Geduld erreicht hatte und sie einfach wie eine Fliege zerquetschen würde. Statt dessen sank er erstaunlicherweise vor ihr auf ein Knie wie ein Bräutigam, der dabei ist, einen Antrag zu machen.
»Hör mir zu«, sagte er, und Eddie konnte sich die seidige Stimme Rolands überhaupt nicht erklären. Er sah dieselbe fassungslose Überraschung in Dettas Gesicht, dort aber mit Angst vermischt. »Hör mir zu, Odetta.«
»Wen nennste O-Detta? Das is’ nich mein Name.«
»Sei still, Schlampe«, sagte der Revolvermann knurrend, und dann weiter, wieder mit der seidigen Stimme: »Wenn du mich hörst und wenn du sie kontrollieren kannst…«
»Warum redste so mit mir? Warum redste, als würdste zunner annern sprechn? Laß ‘se Blassenscheiße! Hör sofort auffemit!«
»… dann sorg dafür, daß sie still bleibt. Ich kann sie knebeln, aber das will ich nicht. Ein fester Knebel ist eine gefährliche Sache. Man kann ersticken.«
» HÖR ENNL1CH UFFEMIT DU BLASSER BESCHISSENER VOODOOWICHSAH!«
»Odetta.« Seine Stimme flüsterte wie beginnender Regen.
Sie verstummte und sah ihn mit großen Augen an. Eddie hatte in seinem ganzen Leben noch nicht soviel Haß und Angst im Blick eines Menschen vereint gesehen.
»Ich glaube, diesem Dreckstück wäre es egal, ob sie an einem festen Knebel stirbt. Sie will sterben, aber noch mehr wünscht sie sich, daß du stirbst. Aber du bist nicht gestorben, bis jetzt noch nicht, und ich glaube auch nicht, daß Detta neu in deinem Leben ist. Sie fühlt sich in dir zu sehr zu Hause, vielleicht kannst du ja hören, was ich sage, und vielleicht kannst du etwas Kontrolle über sie ausüben, auch wenn du noch nicht herauskommen kannst.
Laß nicht zu, daß sie uns zum drittenmal weckt, Odetta!
Ich will sie nicht knebeln.
Aber ich werde es tun, wenn es sein muß.«
Er stand auf, ging weg, ohne sich noch einmal umzudrehen, rollte sich wieder in seine Decke und schlief sofort ein.
Sie sah ihn immer noch mit weit aufgerissenen Augen und bebenden Nasenflügeln an.
»Blasse Voodooscheiße«, flüsterte sie.
Eddie legte sich hin, aber diesmal dauerte es lange, bis er einschlief, obwohl er schrecklich müde war. Er kam bis an den Rand, rechnete mit ihren Schreien und war wieder wach.
Drei Stunden später, als der Mond sich schon auf dem Rückweg befand, döste er schließlich ein.
Detta schrie in dieser Nacht nicht mehr, entweder hatte Roland ihr Angst gemacht,
Weitere Kostenlose Bücher