Der Dunkle Turm 2 - Drei
in Zeit und Raum, der alles auslöschen konnte, was geschehen war, nachdem er in dem Rasthaus eingetroffen war… denn wenn er Jake in dieser Welt rettete, konnte in der anderen sicherlich kein Jake auf ihn warten, und alles, was danach geschehen war, würde sich verändern.
Welche Veränderungen? Es war unmöglich, auch nur Spekulationen darüber anzustellen. Daß eine davon das Ende seiner Suche sein konnte, daran dachte der Revolvermann überhaupt nie. Und solche verspäteten Spekulationen waren sicherlich auch müßig; wenn er den Mann in Schwarz gesehen hätte, hätte ihn nichts, weder Paradoxon noch vorherbestimmter Lauf des Schicksals, daran hindern können, einfach den Kopf dieses Körpers, in dem er sich befand, zu senken und Walters Brust damit zu rammen. Roland hätte ebensowenig etwas daran ändern können, wie eine Kugel den Finger beeinflussen kann, der abdrückt und sie auf ihren Kurs bringt.
Wenn er alles zum Teufel schickte, dann zum Teufel damit.
Er sondierte hastig die Leute, die an der Kreuzung standen, und betrachtete jedes Gesicht (auch die Gesichter der Frauen, um sicherzugehen, daß keine dabei war, die nur so tat , als wäre sie eine Frau).
Walter war nicht da.
Er entspannte sich allmählich, wie ein um den Abzug gekrümmter Finger sich im letzten Augenblick entspannen mochte. Nein, Walter war nicht in der Nähe des Jungen, und der Revolvermann war irgendwie sicher, daß dies nicht die richtige Zeit war. Nicht ganz. Diese Zeit war nahe – zwei Wochen entfernt, eine, vielleicht nur einen einzigen Tag –, aber noch nicht gekommen.
Also ging er nach hinten.
Und unterwegs sah er…
6
… und wurde besinnungslos vor Schock: Dieser Mann, in dessen Verstand sich die dritte Tür geöffnet hatte, hatte einstmals am Fenster einer leerstehenden Mietwohnung in einem Gebäude voller leerstehender Wohnungen – leerstehend, abgesehen von den Pennern und Spinnern, die manchmal ihre Nächte darin verbrachten – gesessen. Man kannte die Penner, weil man ihren verzweifelten Schweiß und ihre wütende Pisse riechen konnte. Man erkannte die Spinner, weil man den Gestank ihrer irregeleiteten Gedanken riechen konnte. Die einzigen Möbelstücke in diesem Zimmer waren zwei Stühle. Jack Mort verwendete sie beide: auf einem saß er, mit dem anderen hatte er die Tür zum Flur versperrt. Er rechnete nicht mit plötzlichen Störungen, aber es war besser, kein Risiko einzugehen. Er war nahe genug am Fenster, daß er hinaussehen konnte, aber so weit davon entfernt, daß er von einem beiläufigen Betrachter unten nicht gesehen werden konnte.
Er hatte einen verwitterten roten Backstein in der Hand.
Er hatte ihn direkt unterhalb des Fensters weggebrochen, wo eine ganze Menge locker waren. Er war alt und an den Kanten abgebröckelt, aber schwer. Klumpen alten Mörtels klebten wie Muscheln daran.
Der Mann wollte den Backstein auf jemanden fallen lassen.
Es war ihm einerlei, auf wen; wenn es um Mord ging, ging Jack Mort nach dem Prinzip vor: Gleiches Recht für alle.
Nach kurzer Wartezeit kam eine dreiköpfige Familie den Gehweg unten entlang: Mann, Frau, kleines Mädchen. Das Mädchen ging innen, wahrscheinlich, damit sie vor dem Verkehr sicher war. So nahe am Bahnhof herrschte eine Menge Verkehr, aber Jack Mort lag überhaupt nichts an den Autos. Ihm war wichtig, daß sich direkt gegenüber keine Häuser befanden; diese waren bereits abgerissen worden, zurück blieb eine Wüstenlandschaft mit abgebrochenen Brettern, Mauerresten, glitzernden Scherben.
Er würde sich nur ein paar Sekunden hinauslehnen, und er hatte eine Sonnenbrille vor den Augen und eine für die Jahreszeit unpassende Strickmütze über dem blonden Haar. Das war wie mit dem Stuhl unter dem Türgriff. Selbst wenn man vor erwarteten Risiken sicher war, konnte es nicht schaden, wenn man auch die unerwarteten ausschloß.
Außerdem hatte er ein Sweatshirt an, das ihm viel zu groß war – es reichte ihm bis weit über die Schenkel. Dieses Kleidungsstück würde dazu beitragen, seine tatsächliche Körpergröße zu verbergen (er war ziemlich mager), sollte er gesehen werden. Es diente auch noch einem anderen Zweck: jedesmal, wenn er jemanden ›tiefenbehandelte‹ (denn so nannte er es immer, ›tiefenbehandeln‹), ergoß er sich in seine Hose. Das weite Shirt verbarg den nassen Fleck, der sich unweigerlich auf seinen Jeans abzeichnete.
Jetzt kamen sie näher.
Nicht übermütig werden, warten, einfach abwarten…
Er erschauerte am
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