Der Dunkle Turm 2 - Drei
zweitenmal in seinen Körper zurückkehrte, kam er in einen so tief schlafenden Körper, daß er einen Augenblick dachte, er wäre in ein komatöses Stadium verfallen… ein Stadium so geringer Körperfunktionen, daß er binnen weniger Augenblicke spüren würde, wie sein Bewußtsein den langen Niedergang in die Dunkelheit beginnen würde.
Statt dessen zwang er seinen Körper zu erwachen, drängte und schubste ihn aus der dunklen Höhle, in die er gekrochen war. Er beschleunigte seinen Herzschlag, zwang seine Nerven, die Schmerzen, die durch ihn rasten, erneut zu akzeptieren, weckte sein Fleisch in die stöhnende Wirklichkeit.
Jetzt war es Nacht. Die Sterne waren herausgekommen. Die Belegten, die Eddie ihm gekauft hatte, waren winzige warme Stellen in der Kälte.
Er verspürte keine Lust, sie zu essen, aber er würde sie essen. Doch zuerst…
Er betrachtete die weißen Tabletten in seiner Hand. Astin, nannte Eddie sie. Nein, das war nicht ganz richtig, aber Roland konnte das Wort nicht so aussprechen, wie es der Gefangene gesagt hatte. Letztendlich lief es auf Medizin hinaus. Medizin aus jener anderen Welt.
Wenn mir etwas aus deiner Welt nützen wird, Gefangener, dachte Roland grimmig, werden es, glaube ich, wohl mehr eure Gifte als eure Belegten sein.
Dennoch würde er es versuchen müssen. Es war nicht das, was er wirklich brauchte – wie Eddie glaubte –, aber etwas, das sein Fieber senken würde.
Drei jetzt, drei später. Wenn es ein Später gibt.
Er nahm drei Tabletten in den Mund, dann stieß er den Deckel – ein seltsames weißes Material, das weder Papier noch Glas war, aber von beidem etwas zu haben schien – von dem Becher, in dem sich das Getränk befand, und spülte sie hinunter.
Der erste Schluck verblüffte ihn so durch und durch, daß er einen Augenblick nur an einen Felsen gelehnt dalag. Seine Augen waren so weit aufgerissen und reglos, daß er sicherlich von jedem möglichen Passanten bereits für tot gehalten worden wäre. Dann trank er gierig, hielt den Becher in beiden Händen und war so sehr mit dem Getränk beschäftigt, daß er die verderblichen, pulsierenden Schmerzen in den Stummeln seiner Finger kaum bemerkte.
Süß! Ihr Götter, wie süß! Wie süß! Wie…
Einer der kleinen flachen Eiswürfel in dem Getränk geriet ihm in den Hals. Er hustete, klopfte sich auf die Brust und würgte ihn heraus. Jetzt verspürte er neue Kopfschmerzen: die silbrigen Schmerzen, die davon herrühren, wenn man etwas zu Kaltes zu schnell trinkt.
Er lag still da und spürte sein Herz wie einen durchgedrehten Motor klopfen, spürte frische Energie so schnell in seinen Körper strömen, daß ihm war, als könnte er tatsächlich explodieren. Ohne darüber nachzudenken, was er tat, riß er ein weiteres Stück von seinem Hemd ab – es würde bald nur noch ein Lumpen sein, der um seinen Hals hing – und legte es über ein Bein. Wenn das Getränk leer war, würde er das Eis in den Stoffetzen kippen und daraus eine Packung für seine verletzte Hand machen. Aber seine Gedanken waren anderswo.
Süß! schrien sie immer und immer wieder und versuchten, den Sinn dessen zu erfassen oder sich wenigstens davon zu überzeugen, daß es einen Sinn gab, so sehr wie Eddie sich davon überzeugt hatte, daß der andere ein wahrhaftiges Wesen gewesen war und nicht eine Geistesverwirrung, die lediglich einen anderen Teil von ihm darstellte, der versuchte, ihn zu überlisten. Süß! Süß! Süß!
Das dunkle Getränk war mit Zucker versetzt, mit mehr noch, als selbst Marten – der hinter seinem ernsten asketischen Äußeren ein gewaltiges Leckermaul gewesen war – sich am Morgen oder Nachmittag in den Kaffee getan hatte.
Zucker… weiß… Pulver…
Der Blick des Revolvermanns wanderte zu den Beuteln, die unter dem Gras, mit dem er sie zugedeckt hatte, kaum zu sehen waren, und fragte sich kurz, ob der Stoff in den Beuteln und der in dem Getränk ein und dasselbe sein mochten. Er wußte, daß Eddie ihn hier drüben, wo sie zwei verschiedene körperliche Wesen waren, genau verstanden hatte; er vermutete, wenn er körperlich in Eddies Welt überwechselte (und er wußte instinktiv, daß das möglich war… doch sollte sich die Tür schließen, während er drüben weilte, würde er für immer dort sein, so wie Eddie für immer hiersein würde, sollte die Tür sich während seiner Anwesenheit in Rolands Welt schließen), würde er die Sprache dort ebenso perfekt verstehen. Von seinen Aufenthalten in Eddies Verstand wußte
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