Der Dunkle Turm 2 - Drei
der Rückwand des Medizinschränkchens ist eine Klappe«, sagte er. »Dahinter bewahre ich einige persönliche Dinge auf. Es ist nicht groß genug, daß man ein Pfund Stoff darin verstecken könnte, aber vielleicht solltest du trotzdem besser nachsehen.«
Jack entfernte sich, und als er die Kammer betrat, sah der Revolvermann dasselbe kalte weiße Licht aufflackern, welches die Kammer der Himmelskutsche erleuchtet hatte. Dann wurde die Tür zugemacht.
Balazars Blick fiel wieder auf Eddie.
»Warum erzählst du nur so verrückte Lügen?« fragte er fast traurig. »Ich habe dich für klug gehalten.«
»Sehen Sie mir ins Gesicht«, sagte Eddie leise. »Und sagen Sie mir, daß ich lüge.«
Balazar tat, was Eddie verlangt hatte. Er sah lange Zeit hin. Dann wandte er sich ab, und er hatte die Hände so tief in die Hosentaschen gesteckt, daß sich die Furche seines Bauernarschs ein wenig abzeichnete. Sein Gehabe drückte Traurigkeit aus – Traurigkeit über einen schlechten Sohn –, aber bevor er sich abwandte, hatte Roland einen Ausdruck auf Balazars Gesicht gesehen, der nicht traurig gewesen war. Was Balazar in Eddies Gesicht gesehen hatte, hatte ihn nicht traurig gemacht, sondern durch und durch verwirrt.
»Zieh dich aus«, sagte Claudio, und jetzt richtete er seine Pistole auf Eddie.
Eddie fing an, seine Kleidung auszuziehen.
5
Das gefällt mir nicht, dachte Balazar, während er darauf wartete, daß Jack Andolini wieder aus dem Badezimmer kam. Er hatte Angst, mit einem Mal schwitzte er nicht nur unter den Achseln oder im Schritt, Stellen, wo er selbst dann schwitzte, wenn es frostigster Winter und kälter als die Gürtelschnalle eines Brunnengräbers war, sondern überall. Eddie hatte aufgehört, wie ein Junkie auszusehen – ein kluger Junkie, aber nichtsdestotrotz ein Junkie, den man mit dem Stoff-Angelhaken in seinen Eiern überall hinführen konnte –, und war zurückgekommen und sah aus wie… wie was? Als wäre er irgendwie gewachsen, als hätte er sich verändert. Als hätte ihm jemand zwei Eimer neuen Mumm in den Hals geschüttet. Ja. Das war es. Und das Dope. Das verfluchte Dope. Jack krempelte das Badezimmer um, und Claudio durchsuchte Eddie mit der gründlichen Boshaftigkeit eines sadistischen Gefängniswärters; Eddie stand mit einer Festigkeit da, die Balazar zuvor weder bei ihm noch bei irgendeinem anderen Junkie für möglich gehalten hätte, während sich Claudio viermal in die linke Handfläche spuckte sich den rotzfleckigen Speichel über die rechte Hand rieb und diese dann bis zum Handgelenk und ein, zwei Zentimeter darüber hinaus in Eddies Arschloch rammte.
Es war kein Stoff im Bad und kein Stoff an oder in Eddie. Es war kein Dope in Eddies Kleidung, seiner Jacke oder seiner Reisetasche. Also war es lediglich ein Bluff.
Sehen Sie mir ins Gesicht, und sagen Sie mir, daß ich lüge.
Das hatte er getan. Und was er gesehen hatte, war beunruhigend gewesen. Er hatte gesehen, daß Eddie Dean vollkommen zuversichtlich gewesen war: Er hatte vor, ins Bad zu gehen und mit der Hälfte von Balazars Stoff herauszukommen.
Balazar hätte es fast selbst geglaubt.
Claudio Andolini zog den Arm zurück. Sein Finger kam mit einem leisen Plop aus Eddie Deans Arschloch. Claudios Mund verzog sich wie eine Angelschnur mit Knoten darin.
»Beeil dich, Jack, ich hab’ die Scheiße von diesem Junkie an der Hand!« schrie Claudio wütend.
»Wenn ich gewußt hätte, daß du dort oben schürfst, Claudio, hätte ich mir nach meinem letzten Schiß den Arsch mit einem Stuhlbein geputzt«, sagte Eddie sanft. »Deine Hand wäre sauberer wieder herausgekommen, und ich würde nicht dastehen und mich fühlen, als wäre ich gerade von Ferdinand dem Stier vergewaltigt worden.«
»Jack!«
»Geh in die Küche und wasch dich dort«, sagte Balazar leise. »Eddie und ich haben keinen Grund, einander weh zu tun. Oder, Eddie?«
»Nein«, sagte Eddie.
»Er ist sowieso sauber«, sagte Claudio. »Nun, sauber ist nicht das richtige Wort. Ich meine, er hat nichts bei sich. Dessen kannst du verdammt sicher sein.« Er ging hinaus und hielt seine schmutzige Hand vor sich wie einen toten Fisch.
Eddie sah Balazar gelassen an, und dieser mußte wieder an Harry Houdini denken, an Blackstone, an Doug Henning und an David Copperfield. Alle sagten, Zaubervorstellungen wären so tot wie das Vaudeville, aber Henning war ein Superstar, und der Junge Copperfield hatte das eine Mal, als Balazar ihn in Atlantic City gesehen hatte,
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