Der Dunkle Turm 2 - Drei
Rolands linke Hand. Plötzlich war die Tür wieder da, ein dunkles Rechteck. Eddie spürte, wie ihm der Wind jener anderen Welt das schweißnasse Haar aus der Stirn wehte. Er hörte die Wellen ans Ufer branden. Er nahm den Geruch von saurem Meersalz wahr. Und trotz allem, trotz seiner Schmerzen und dem Kummer, wollte er plötzlich diesen Dunklen Turm sehen, von dem Roland gesprochen hatte. Er wollte ihn von ganzem Herzen sehen. Und da Henry tot war, was blieb ihm in dieser Welt noch? Ihre Eltern waren tot, und seit er vor drei Jahren so richtig mit dem Drücken angefangen hatte, hatte es keine feste Freundin mehr gegeben – nur eine ständige Parade von Schlampen, Fixerinnen und Schnupferinnen. Keine normal. Scheiß drauf.
Sie traten durch, und Eddie ging sogar ein wenig voraus.
Auf der anderen Seite überfielen ihn plötzlich neuerliche Schauer und schmerzende Muskelkrämpfe – die ersten Symptome eines ernsten Heroinentzugs. Und damit verbunden kamen ihm auch seine ersten ernsten Zweifel.
»Warte!« rief er. »Ich muß noch einen Augenblick zurück! Sein Schreibtisch! Sein Schreibtisch, oder im anderen Büro! Der Stoff! Wenn sie Henry einen Schuß gegeben haben, muß Stoff da sein! Heroin! Ich brauche es! Ich brauche es!«
Er sah den Revolvermann flehend an, aber dessen Gesicht war steinern.
»Dieser Teil deines Lebens ist vorbei, Eddie«, sagte er. Er streckte die linke Hand aus.
»Nein!« schrie Eddie und krallte nach ihm. »Nein, das verstehst du nicht, Mann, ich brauche es! ICH BRAUCHE ES!«
Er hätte sich ebensogut in einen Stein krallen können.
Der Revolvermann schlug die Tür zu.
Sie gab einen dumpfen, pochenden Laut von sich, der etwas ungemein Endgültiges hatte, und fiel auf den Sand. An den Rändern stob ein wenig Staub hoch. Nichts war mehr hinter der Tür, und es war kein Wort mehr darauf geschrieben. Diese spezielle Verbindung zwischen den Welten hatte sich für immer geschlossen.
»NEIN!« schrie Eddie, und die Möwen schrien wie in unsäglicher Verachtung zu ihm zurück; die Monsterhummer stellten ihm Fragen; vielleicht schlugen sie vor, er könnte sie ein wenig besser verstehen, wenn er näher kam, und Eddie fiel vornüber auf die Seite, weinte und erschauerte und wurde von Krämpfen geschüttelt.
»Dein Bedürfnis wird vergehen«, sagte der Revolvermann und holte eine Packung aus der Tasche von Eddies Hose, die seiner eigenen so ähnlich war. Wieder konnte er ein paar Buchstaben lesen, aber nicht alle. Das Wort sah wie Cheefleet aus.
Cheefleet.
Medizin aus dieser anderen Welt.
»Töte oder heile«, murmelte Roland und schluckte zwei der Kapseln trocken. Dann nahm er die anderen drei Astin und legte sich neben Eddie, nahm ihn, so gut er konnte, in die Arme, und nach einiger Zeit schliefen sie beide ein.
mischen
mischen
Die Zeit, die auf diese Nacht folgte, war für Roland gebrochene Zeit, Zeit, die überhaupt nicht als Zeit existierte. Er erinnerte sich lediglich an eine Reihe von Bildern, Augenblicken, Unterhaltungen ohne Zusammenhang; Bilder flogen vorüber wie Asse und Dreier und Neuner und die verdammte Schwarze Hurenkönigin der Spinnen, wie beim raschen Mischen eines Kartenspiels.
Später fragte er Eddie, wie lange diese Zeit gedauert hatte, aber Eddie wußte es auch nicht. Die Zeit war für sie beide vernichtet gewesen.
In der Hölle gibt es keine Zeit, und jeder war in seiner privaten Hölle gewesen: Roland in der Hölle des Fiebers und der Infektion, Eddie in der Hölle des Entzugs.
»Weniger als eine Woche«, sagte Eddie. »Mehr weiß ich nicht mit Bestimmtheit.«
»Woher weißt du das?«
»Ich konnte dir nur eine Wochenration Tabletten geben. Danach mußtest du aus eigenem Antrieb das eine oder andere machen.«
»Genesen oder sterben.«
»Richtig.«
mischen
Ein Schuß, während sich die Dämmerung dem Dunkel nähert, ein trockener Knall über dem unausweichlichen und unentrinnbaren Klang der Brecher, die am einsamen Strand starben: KA-BUMM! Er riecht einen Hauch Schießpulver. Ärger, denkt der Revolvermann schwach und tastet nach Revolvern, die nicht da sind. O nein, es ist das Ende, es ist… Aber da ist nichts mehr. Etwas fängt an,
mischen
im Dunkeln gut zu riechen. Nach der ganzen langen, dunklen, trockenen Zeit kocht etwas. Es ist nicht nur der Geruch. Er kann das Knacken von Zweigen hören, kann das leichte orangefarbene Flackern eines Lagerfeuers sehen. Wenn der Wind vom Meer zu einer Bö
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