Der Dunkle Turm 2 - Drei
clean, nicht?«
Roland beobachtet ihn.
»Abgesehen von deinem Turm.« Eddie stößt ein kurzes Lachen aus. »Du bist ein Turm-Junkie, Roland.«
»Welcher Krieg war es?« flüstert Roland.
»Was?«
»Derjenige, in dem dein Sinn für Edelmut und Zielstrebigkeit weggeschossen wurde?«
Eddie zuckt zurück, als hätte Roland die Hände ausgestreckt und ihn geschlagen.
»Ich werde Wasser holen«, sagt er knapp. »Behalte die Gruselkriecher im Auge. Wir sind heute weit gekommen, aber ich weiß immer noch nicht, ob sie miteinander reden oder nicht.«
Danach wendet er sich ab; aber zuvor sieht Roland noch die letzten roten Sonnenstrahlen, die sich auf seinen feuchten Wangen spiegeln.
Roland wendet sich wieder zum Strand und wartet. Die Monsterhummer kriechen und fragen, fragen und kriechen, aber beide Aktivitäten scheinen ziellos zu sein; sie besitzen eine gewisse Intelligenz, aber nicht genug, um anderen ihrer Art Informationen weiterzugeben.
Gott sagt es dir nicht immer ins Gesicht, denkt Roland. Meistens, aber nicht immer.
Eddie kehrt mit Holz zurück.
»Nun?« fragt er. »Was denkst du?«
»Mit uns ist alles in Ordnung«, krächzt der Revolvermann, und Eddie will etwas sagen, aber der Revolvermann ist jetzt müde und legt sich zurück und betrachtet die ersten Sterne, die durch den violetten Baldachin des Himmels funkeln und
mischen
In den drei darauffolgenden Tagen schritt die Genesung des Revolvermanns immer weiter voran. Die roten Linien, die seine Arme hochgekrochen waren, kehrten ihre Richtung zuerst um, verblaßten dann und verschwanden. Am nächsten Tag ging er manchmal, manchmal ließ er sich von Eddie ziehen. Am darauffolgenden Tag mußte er überhaupt nicht mehr gezogen werden; sie setzten sich einfach alle ein bis zwei Stunden eine gewisse Zeit hin, bis das wäßrige Gefühl aus seinen Beinen verschwunden war. Während einer dieser Ruhepausen und in der Zeit, nachdem das Essen verschlungen, das Feuer aber noch nicht ganz niedergebrannt und sie schlafen gegangen waren, erfuhr der Revolvermann von Henry und Eddie. Er erinnerte sich, er hatte sich gefragt, was geschehen war, daß ihr Bruderverhältnis so schwierig gewesen war, aber nachdem Eddie stockend und von jenem beleidigten Zorn erfüllt, welcher aus tiefem Schmerz entsteht, zu sprechen angefangen hatte, hätte der Revolvermann ihm Schweigen gebieten und zu ihm sagen können: Spar dir die Mühe, Eddie. Ich verstehe alles.
Aber das hätte Eddie nicht geholfen. Eddie redete nicht, um Henry zu helfen, weil Henry tot war. Er redete, um Henry für immer zu begraben. Und um sich daran zu erinnern, daß Henry zwar tot war, aber er, Eddie, nicht.
Daher hörte der Revolvermann zu und sagte nichts.
Der Kernpunkt war einfach: Eddie glaubte, daß er seinem Bruder das Leben gestohlen hatte. Das glaubte Henry auch. Henry war vielleicht von alleine zu dieser Überzeugung gekommen, oder er war dazu gekommen, weil er ihre Mutter so häufig mit Eddie sprechen hörte, wieviel sie und Henry für ihn geopfert hatten, damit Eddie in diesem Dschungel von einer Stadt so sicher wie nur irgend jemand sein konnte, damit er glücklich sein konnte, so glücklich jemand in diesem Dschungel von einer Stadt nur sein konnte, damit er nicht dasselbe Schicksal erlitt wie seine arme Schwester, an die er sich kaum noch erinnern konnte, aber sie war so wunderschön gewesen, Gott schütze sie. Sie war bei den Engeln, und das war zweifellos ein wunderbarer Aufenthaltsort, aber sie wollte noch nicht, daß Eddie auch zu den Engeln ging, daß er auf der Straße von einem verrückten betrunkenen Fahrer überfahren wurde, wie seine Schwester, oder daß er von einem wahnsinnigen Junkie wegen der fünfundzwanzig Cents in seiner Tasche aufgeschlitzt wurde und seine Eingeweide auf dem Gehweg lagen, und weil sie glaubte, daß Eddie auch nicht bei den Engeln sein wollte, sollte er besser darauf hören, was ihm sein großer Bruder sagte und tun, was ihm sein großer Bruder sagte, und niemals vergessen, daß Henry ein Opfer aus Liebe brachte.
Eddie sagte dem Revolvermann, er bezweifelte, daß seine Mutter vieles von dem wußte, was sie getan hatten – im Süßwarenladen in der Rincon Avenue Comics gestohlen, hinter der Bonded Electroplate Factory in der Cohoes Street geraucht.
Einmal hatten sie einen Chevrolet mit steckendem Schlüssel gesehen, und obwohl Henry kaum gewußt hatte, wie man fährt – er war sechzehn gewesen, Eddie acht –, hatte er seinen Bruder
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