Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
Vom Netzwerk:
aus dem Gürtel und fing an zu schnitzen. Das Messer war erstaunlich scharf und schien die Schärfe nie zu verlieren. Eddie arbeitete langsam und sorgfältig im Feuerschein, drehte das Eschestück hierhin und dorthin in den Händen und sah die spiralförmigen Holzstreifen, die seine sicheren Messerschnitte erzeugten.
    Susannah legte sich hin, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah zu den Sternen, die langsam ihre Bahn am schwarzen Himmel zogen.
    Am Rand des Lagers stand Roland außerhalb des Feuerscheins und lauschte, während die Stimmen des Wahnsinns wieder einmal in seinem schmerzenden, verwirrten Verstand anschwollen.
    Es gab einen Jungen.
    Es gab keinen Jungen.
    Gab.
    Gab keinen.
    Gab…
    Er machte die Augen zu, barg die schmerzende Stirn in einer kalten Hand und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis er schlicht und einfach brach wie ein zu straff gespannter Bogen.
    O Jake, dachte er. Wo bist du? Wo bist du?
    Und über den dreien stiegen der Alte Stern und die Alte Mutter zu ihren vorbestimmten Plätzen und betrachteten einander über den Sternenabgrund ihrer alten, gescheiterten Ehe hinweg.

II.
Schlüssel und Rose
     
    1
     
    Drei Wochen lang kämpfte John ›Jake‹ Chambers tapfer gegen den Wahnsinn, der in seinem Inneren wuchs. Während dieser Zeit fühlte er sich wie der letzte Mann an Bord eines sinkenden Ozeanriesen, der besessen die Kielraumpumpen bedient und versucht, das Schiff über Wasser zu halten, bis der Sturm vorbei, der Himmel wieder klar und Hilfe unterwegs ist… Hilfe von irgendwo. Am 20. Mai 1977, vier Tage bevor die Sommerferien anfingen, fand er sich endlich mit der Tatsache ab, daß keine Hilfe eintreffen würde. Es war Zeit, daß er aufgab; daß er sich von dem Sturm forttragen ließ.
    Der Tropfen, der das Faß endgültig zum Überlaufen brachte, war seine Abschlußarbeit in vergleichender englischer Literatur.
    John Chambers, Jake für die drei oder vier Jungs, die fast seine Freunde waren, hatte sein erstes Jahr an der Piper School hinter sich gebracht. Obwohl elf und in der sechsten Klasse, war er klein für sein Alter, und die Leute, die ihn zum erstenmal sahen, hielten ihn meist für viel jünger. Tatsächlich war er bis vor etwa einem Jahr manchmal irrtümlich für ein Mädchen gehalten worden. Dann hatte er einen Aufstand gemacht und wollte das Haar kurz geschnitten haben, so daß seine Mutter schließlich nachgegeben hatte. Mit seinem Vater hatte es selbstverständlich überhaupt keine Probleme wegen des Haarschnitts gegeben. Sein Vater hatte einfach nur sein hartes Edelstahlgrinsen gegrinst und gesagt: Der Junge möchte wie ein Soldat aussehen, Laune. Gut für ihn.
    Für seinen Vater war er niemals Jake und selten John. Für seinen Vater war er immer nur ›der Junge‹.
    Die Piper School, hatte sein Vater ihm im vorigen Sommer erklärt (das war der Sommer der Zweihundertjahrfeier gewesen – Girlanden und Flaggen und der Hafen von New York voll von großen Schiffen), war schlicht und einfach DIE BESTE VERDAMMTE SCHULE IM GANZEN LAND FÜR EINEN JUNGEN IN SEINEM ALTER. Die Tatsache, daß Jake dort aufgenommen worden war, hatte nichts mit Geld zu tun, erklärte Elmer Chambers… fast beharrlich. Er war ungeheuer stolz auf diese Tatsache gewesen, aber Jake hatte trotz seiner zehn Jahre vermutet, daß es nicht der Wahrheit entsprach, daß es sich um dummes Zeug handelte, das sein Vater zur Wahrheit gemacht hatte, damit er es beim Mittagessen oder bei Cocktails beiläufig in die Unterhaltung einfließen lassen konnte: Mein Junge? Oh, der besucht die Piper. DIE BESTE VERDAMMTE SCHULE IM GANZEN LAND FÜR EINEN JUNGEN IN SEINEM ALTER. Weißt du, mit Geld kann man sich nicht in diese Schule einkaufen; bei Piper zählt Grips, sonst gar nichts.
    Jake Chambers war sich durchaus darüber im klaren, daß die gewöhnliche Kohle von Wünschen und Meinungen im heißen Brennofen von Elmer Chambers’ Verstand nicht selten zu den harten Diamanten wurde, die er Tatsachen nannte… oder, unter formloseren Umständen, ›Tatsächelchen‹. Sein Lieblingsausdruck, den er oft und stets mit Ehrerbietung gebrauchte, was Tatsache ist, und den brachte er, so oft er konnte, an den Mann.
    Tatsache ist, mit Geld kommt niemand an die Piper School, hatte sein Vater ihm in diesem Sommer der Zweihundertjahrfeier erklärt, dem Sommer mit blauem Himmel und Girlanden und großen Schiffen, einem Sommer, der in Jakes Erinnerung golden wirkte, weil er noch nicht angefangen hatte, den Verstand zu

Weitere Kostenlose Bücher