Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
Vom Netzwerk:
verlieren, und er sich nur Gedanken darüber machen mußte, ob er an der Piper School, diesem Nest frisch geschlüpfter Genies, über die Runden kommen würde. An eine Schule wie Piper kommt man nur mit dem, was man da oben hat. Elmer Chambers hatte über den Schreibtisch gegriffen und mit einem harten, nikotinverfärbten Finger gegen die Stirn seines Sohnes geklopft. Kapiert, Junge?
    Jake hatte genickt. Es war nicht nötig, mit seinem Vater zu sprechen, weil sein Vater alle – einschließlich seiner Ehefrau – so behandelte wie seine Unterlinge bei dem Fernsehsender, wo er Programmdirektor und ein anerkannter Experte im ›Killen‹ war. Man mußte nur zuhören, an den richtigen Stellen nicken, und nach einer Weile ließ er einen wieder gehen.
    Gut, hatte sein Vater gesagt und eine seiner achtzig Camels angezündet, die er jeden Tag rauchte. Dann verstehen wir uns ja. Du wirst dir den Rücken krumm schuften müssen, aber du kannst es schaffen. Das hätten sie uns nie geschickt, wenn du es nicht könntest. Er hob die Aufnahmebestätigung der Piper School hoch und wedelte damit. Diese Geste drückte eine Art zügellosen Triumph aus, als wäre der Brief ein Tier, das er im Dschungel erlegt hatte, ein Tier, das er jetzt häuten und essen würde. Also arbeite hart. Schreib gute Noten. Sorg dafür, daß deine Mutter und ich stolz auf dich sein können. Wenn du dieses Jahr einen Zeugnisdurchschnitt von eins bekommst, ist eine Reise nach Disney World für dich drin. Dafür lohnt es sich doch zu schuften, oder nicht, Junge?
    Jake hatte seine Noten geschafft – in jedem Fach eine 1 (das heißt, bis zu den letzten drei Wochen). Er hatte aller Wahrscheinlichkeit nach dafür gesorgt, daß seine Mutter und sein Vater stolz auf ihn sein konnten, obwohl er so selten daheim war, daß es sich nicht mit Bestimmtheit sagen ließ. Normalerweise war niemand da, wenn er von der Schule nach Hause kam, abgesehen von Greta Shaw, der Haushälterin, und darum zeigte er ihr seine Einsen. Danach verschwanden sie in eine dunkle Ecke seines Zimmers. Manchmal sah Jake die Arbeiten durch und fragte sich, ob sie überhaupt einen Sinn hatten. Er wollte es, hatte aber ernste Zweifel.
    Jake glaubte nicht, daß er diesen Sommer nach Disney World fahren würde, Notenschnitt 1 hin oder her.
    Als er am Morgen des 20. Mai um 8 Uhr 45 durch die Doppeltür der Piper School schritt, hatte er eine schreckliche Vision. Er sah seinen Vater in seinem Büro 70 Rockefeller Plaza, eine Camel im Mund, wo er sich über den Schreibtisch beugte und mit einem seiner Unterlinge redete, während blauer Dunst sich um seinen Kopf kräuselte. Ganz New York lag hinter und unter seinem Vater ausgebreitet, das Dröhnen und Murmeln freilich wurde durch zwei Scheiben Thermopaneglas gedämpft.
    Tatsache ist, mit Geld kommt niemand ins Sunnyvale-Sanatorium, teilte sein Vater dem Unterling in einem Tonfall grimmiger Befriedigung mit. Er streckte die Hand aus und klopfte dem Unterling auf die Stirn. Man kommt nur dahin, wenn da oben im Oberstübchen etwas gewaltig schiefläuft. Das ist mit dem Jungen passiert. Aber er schuftet sich den verdammten Rücken krumm. Flechtet die besten verdammten Körbchen der ganzen Anstalt, haben sie mir gesagt. Und wenn sie ihn wieder rauslassen – wenn überhaupt je – dann springt eine Reise für ihn raus. Eine Reise nach …
    »… zum Rasthaus«, murmelte Jake und berührte die Stirn mit einer Hand, die zittern wollte. Die Stimmen kamen wieder. Die kreischenden, widerstreitenden Stimmen, die ihn in den Wahnsinn trieben.
    Du bist tot, Jake. Du bist von einem Auto überfahren worden und tot.
    Mach dich nicht lächerlich! Schau mal – siehst du das Plakat? VERGESST NICHT DAS PICKNICK DER ERSTEN KLASSE, steht da. Glaubst du, in Leben nach dem Tod gibt es Picknicks von Schulklassen?
    Weiß nicht. Aber ich weiß, daß du von einem Auto überfahren worden bist.
    Nein!
    Doch. Es ist am 7. Mai um 8 Uhr 25 passiert. Du bist keine Minute später gestorben.
    Nein! Nein! Nein!
    »John?«
    Er drehte sich erschrocken um. Mr. Bissette, sein Französischlehrer, stand vor ihm und sah etwas besorgt drein. Hinter ihm strömten die anderen Schüler zum morgendlichen Rapport ins Gemeinschaftszimmer. Es wurde kaum gewitzelt und überhaupt nicht geschrien. Wahrscheinlich hatten alle anderen Schüler, wie Jake auch, von ihren Eltern gesagt bekommen, wie glücklich sie sich schätzen konnten, daß sie die Piper besuchen durften, wo Geld keine Rolle spielte (auch wenn das

Weitere Kostenlose Bücher