Der Dunkle Turm 4 - Glas
NACHDENKEN.«
»Ja.«
»ICH VERSTEHE. KLINGT ZIEMLICH KNORKE.«
Roland runzelte die Stirn. »Knorke?«
»Er meint, es hört sich echt toll an«, sagte Susannah leise.
Roland zuckte die Achseln. »Ich nehme an, den Zuschauern hat es Spaß gemacht, aber die Teilnehmer nahmen es sehr ernst, und wenn der Wettstreit zu Ende und der Preis ausgegeben war, kam es nicht selten zu Streit und Faustkämpfen.«
»WAS WAR DAS FÜR EIN PREIS?«
»Die größte Gans der Baronie. Und Cort, mein Lehrmeister, trug diese Gans jedes Jahr nach Hause.«
»ER MUSS EIN GROSSER RÄTSELMEISTER GEWESEN SEIN«, sagte Blaine ehrfürchtig. »ICH WÜNSCHTE, ER WÄRE HIER.«
Da bist du nicht allein, dachte Roland und sagte dann: »Jetzt komme ich zu meinem Vorschlag.«
»ICH WERDE MIT GROSSEM INTERESSE ZUHÖREN, ROLAND VON GILEAD.«
»Sollen die folgenden Stunden unser Jahrmarkt sein. Du wirst uns keine Rätsel aufgeben, weil du ja neue Rätsel hören möchtest und nicht die Millionen, die du zweifellos schon kennst…«
»KORREKT.«
»Wir könnten die meisten sowieso nicht lösen«, fuhr Roland fort. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass du sogar Rätsel kennst, die selbst Cort überfordert hätten, wären sie aus dem Fass gezogen worden.« Dessen war er sich zwar keineswegs sicher, aber die Zeit der Faust war vorbei; es war Zeit, die offene Handfläche darzubieten.
»GEWISS«, stimmte Blaine zu.
»Ich schlage vor, anstelle einer Gans soll unser aller Leben der Preis sein«, sagte Roland. »Wir stellen dir die Rätsel, während wir fahren, Blaine. Wenn du jedes einzelne gelöst hast, bis wir in Topeka sind, darfst du deinen ursprünglichen Plan in die Tat umsetzen und uns töten. Das ist deine Gans. Aber wenn wir dich besiegen – wenn wir ein Rätsel in Jakes Buch oder unseren Köpfen finden, das du nicht kennst und nicht beantworten kannst –, dann musst du uns nach Topeka bringen und uns freilassen, damit wir unsere Suche fortsetzen können. Das ist unsere Gans.«
Schweigen.
»Hast du gehört?«
»JA.«
»Bist du einverstanden?«
Blaine der Mono schwieg wieder. Eddie hatte einen Arm um Susannah geschlungen, saß starr da und sah zur Decke der Baronskabine hoch. Susannah strich sich mit der linken Hand über den Bauch; sie dachte an das Geheimnis, das dort wachsen mochte. Jake strich Oy behutsam über das Fell und vermied dabei möglichst die blutigen Stellen, wo der Bumbler verletzt worden war. Sie warteten, während Blaine – der echte Blaine, der jetzt weit hinter ihnen war und sein Quasi-Leben in einer Stadt lebte, wo alle Einwohner von seiner Hand getötet dalagen – über Rolands Vorschlag nachdachte.
»JA«, sagte Blaine schließlich. »ICH BIN EINVERSTANDEN. WENN ICH ALLE RÄTSEL LÖSEN KANN, DIE IHR MIR STELLT, NEHME ICH EUCH MIT ZU DEM ORT, WO DER PFAD AUF DER LICHTUNG ENDET. WENN EINER VON EUCH MIR EIN RÄTSEL AUFGIBT, DAS ICH NICHT LÖSEN KANN, SCHENKE ICH EUCH ALLEN DAS LEBEN UND BRINGE EUCH NACH TOPEKA, WO IHR DEN MONO VERLASSEN UND EURE SUCHE NACH DEM DUNKLEN TURM FORTSETZEN WERDET. HABE ICH DIE BEDINGUNGEN UND KLAUSELN DEINES VORSCHLAGS RICHTIG VERSTANDEN, ROLAND, SOHN DES STEVEN?«
»Ja.«
»NUN GUT, ROLAND VON GILEAD.
NUN GUT, EDDIE VON NEW YORK.
NUN GUT, SUSANNAH VON NEW YORK.
NUN GUT, JAKE VON NEW YORK.
NUN GUT, OY VON MITTWELT.«
Oy sah kurz auf, als er seinen Namen hörte.
»IHR SEID KA-TET; EINS AUS VIELEN. SO WIE ICH. WESSEN KA-TET DAS STÄRKERE IST, WERDEN WIR JETZT HERAUSFINDEN MÜSSEN.«
Es folgte ein Augenblick der Stille, die lediglich vom konstanten Dröhnen der Motoren unterbrochen wurde, welche sie durch das Wüste Land Richtung Topeka trugen, dem Ort, wo Mittwelt zu Ende ging und Endwelt begann.
»ALSO«, rief die Stimme von Blaine. »WERFT EURE NETZE AUS, WANDERER! STELLT MIR EURE FRAGEN; MÖGE DER WETTSTREIT REGINNEN.«
E RSTER T EIL
R ÄTSEL
Kapitel 1
U NTER DEM D ÄMONENMOND (I)
1
Die Stadt Candleton war eine vergiftete und verstrahlte Ruine, aber nicht gänzlich leblos; nach all den Jahrhunderten wimmelte es noch von finsterem Leben – krabbelnde Käfer, so groß wie Seeschildkröten; Vögel, die wie kleine, missgebildete Drachen aussahen; ein paar stolpernde Roboter, die wie Edelstahlzombies mit quietschenden Gelenken und flackernden Nuklearaugen durch die verfallenen Gebäude schlurften.
»Zeig deinen Ausweis, Kumpel!«, rief derjenige, der die letzten zweihundertvierunddreißig Jahre in der Halle des Traveller’s Hotel von Candleton
Weitere Kostenlose Bücher