Der Dunkle Turm 4 - Glas
würde er später gründlich nachdenken müssen. Im Augenblick jedoch war es seine geringste Sorge.
»Wir haben das Angesicht unserer Väter in einer Weise vergessen, die etwas mit unserem derzeitigen Aufenthalt in Hambry zu tun hat.« Roland stellte unbehaglich fest, dass er eine Rede hielt, ob es ihm gefiel oder nicht. Er wendete sich nicht an den ganzen Saal – den Göttern sei wenigstens für diese kleine Gunst gedankt –, sondern nur an den Kreis der Zuhörer, der allerdings schon deutlich größer geworden war als die ursprüngliche Gruppe. Aber ihm blieb keine andere Wahl, als zu Ende zu sprechen; das Boot hatte abgelegt. »Ich muss nicht auf Einzelheiten eingehen – und weiß, Ihr würdet auch keine erwarten –, aber ich sollte bemerken, dass wir versprochen haben, während unseres Aufenthalts hier keinerlei alkoholische Getränke zu uns zu nehmen. Eine Strafe, versteht Ihr.«
Ihr Blick. Es schien, als könnte er ihn immer noch auf seiner Haut spüren.
Einen Augenblick lang herrschte völlige Stille in der kleinen Gruppe rings um die Punschschüsseln, dann sagte Lengyll: »Euer Vater wäre stolz, Euch so offen sprechen zu hören, Will Dearborn – aye, das wäre er. Und welcher Junge, der etwas taugt, würde nicht hin und wieder einmal über die Stränge schlagen?« Er schlug Roland auf die Schulter, und obschon der Griff seiner Hand fest war und sein Lächeln echt aussah, waren seine Augen schwer zu lesen, lediglich ein nachdenkliches Funkeln tief in den Falten. »Darf ich an seiner statt stolz sein?«
»Ja«, sagte Roland und lächelte als Erwiderung. »Mit meinem aufrichtigen Dank.«
»Und meinem«, sagte Cuthbert.
»Meinem ebenfalls«, sagte Alain, nahm das angebotene Glas Punsch und verbeugte sich vor Lengyll.
Lengyll füllte weitere Gläser und reichte sie hastig herum. Diejenigen, die bereits Gläser in den Händen hielten, bekamen sie weggenommen und dafür alkoholfreien Punsch ausgeschenkt. Als alle der ursprünglichen Gruppe mit einem Glas versehen waren, drehte sich Lengyll um, da er offenbar den Trinkspruch selbst ausbringen wollte. Rimer klopfte ihm auf die Schulter, schüttelte verhalten den Kopf und nickte zum Bürgermeister hinüber. Jener Ehrenmann sah sie mit aus den Höhlen quellenden Augen und offenem Mund an. Roland fand, dass der Mann wie ein vom Stück gefesselter Theaterbesucher auf den billigen Plätzen wirkte; ihm fehlten nur noch ein Schoß voller Orangenschalen. Lengyll folgte dem Blick des Kanzlers und nickte.
Als Nächstes sah Rimer zu dem Gitarristen in der Mitte der anderen Musiker. Er hörte auf zu spielen; die anderen ebenso. Die Gäste sahen kurz dorthin, dann aber wieder in die Mitte des Raums zurück, als Thorin zu reden anfing. Wenn er sie so wie jetzt einsetzte, hatte seine Stimme nichts Lächerliches an sich – sie klang tragend und angenehm.
»Ladys and Gentlemen, meine Freunde«, sagte er. »Ich möchte Sie bitten, mir dabei zu helfen, drei neue Freunde willkommen zu heißen – junge Männer aus den Inneren Baronien, wackere junge Männer, die für den Bund im Dienste von Ordnung und Frieden eine weite Reise mit vielen Gefahren auf sich genommen haben.«
Susan Delgado stellte ihr Punschglas ab, entzog ihre Hand (unter nicht unerheblichen Schwierigkeiten) dem Griff ihres Onkels und klatschte. Andere stimmten ein. Der Applaus im Saal war kurz, aber herzlich. Eldred Jonas, fiel Roland auf, stellte sein Glas nicht ab, um einzustimmen.
Thorin drehte sich lächelnd zu Roland um. Er hob sein Glas. »Dürfte ich Euch mit wenigen Worten vorstellen, Will Dearborn?«
»Aye, das dürft Ihr, und mit Dank«, sagte Roland. Gelächter und neuerlicher Applaus ertönten angesichts dieser Wendung.
Thorin hob das Glas noch höher. Alle anderen im Saal folgten seinem Beispiel; Kristall funkelte wie Sterne im Licht der Kronleuchter.
»Ladys and Gentlemen, ich darf Ihnen William Dearborn aus Hemphill, Richard Stockworth aus Pennilton und Arthur Heath aus Gilead vorstellen.«
Bei Letzterem wurde entzücktes Aufstöhnen und Murmeln laut, so als hätte der Bürgermeister gerade einen Arthur Heath, der aus dem Himmel stammte, vorgestellt.
»Nehmt sie wohl auf, gebt ihnen wohl, und macht ihnen ihren Aufenthalt in Mejis angenehm und die Erinnerung daran noch angenehmer. Helft ihnen bei ihrer Arbeit, dem Ziel zu dienen, das uns allen so sehr am Herzen liegt. Mögen ihre Tage auf Erden lang sein. Das sagt euer Bürgermeister.«
»DAS SAGEN WIR ALLE!«, donnerte die Menge
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