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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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hinauf und setzte sich in seinen Schaukelstuhl. Auch Bert hatte seinen Platz auf der Kiste wieder eingenommen. Sie saßen jetzt hinter Roland, und Cuthbert sah Alain mit hochgezogenen Brauen an. Er zeigte auf Roland, dann sah er wieder Alain an.
    Alain reichte ihm das, was er von Rolands Kragen geholt hatte. Zwar war es so fein, dass man es im gegenwärtigen Licht kaum erkennen konnte, aber Cuthbert hatte die Augen eines Revolvermanns, und er nahm es mühelos entgegen, ohne herumzutasten.
    Es war ein langes Haar von der Farbe gesponnenen Goldes. Er entnahm Berts Gesichtsausdruck, dass dieser wusste, von wessen Kopf es stammte. Seit ihrer Ankunft in Hambry hatten sie nur ein Mädchen mit langen blonden Haaren kennen gelernt. Die beiden Jungen sahen einander in die Augen. In Berts Augen sah Alain Missfallen und Gelächter zu gleichen Teilen.
    Cuthbert Allgood hob den Zeigefinger an die Schläfe und ahmte das Abdrücken eines Revolvers nach.
    Alain nickte.
    Roland saß mit dem Rücken zu ihnen auf der Treppe und sah mit verträumten Augen zum erlöschenden Sonnenuntergang.

Kapitel 8
    U NTER DEM H AUSIERERMOND
     
    1
     
    Die Stadt Ritzy, fast vierhundert Meilen westlich von Mejis, war alles andere als prunkvoll. Roy Depape erreichte sie, drei Nächte bevor der Hausierermond – manche nannten ihn auch den Spätsommermond – voll wurde, und verließ sie einen Tag danach wieder.
    Ritzy war in Wirklichkeit ein armseliges kleines Bergarbeiterdorf am Osthang des Vi-Castis-Gebirges, etwa fünfzig Meilen von der Vi-Castis-Kluft entfernt. Die Stadt besaß nur eine Straße; die Spuren eisenbeschlagener Räder hatten sich hineingefressen, und etwa drei Tage nach Beginn der Herbststürme würde sie sich in eine einzige Schlammpfütze verwandeln. Es gab den Gemischtwarenladen namens »Bär und Schildkröte«, wo den Bergarbeitern allerdings das Einkaufen auf Anordnung der Vi Castis Company verboten war, und ein Geschäft der Bergwerksgesellschaft, wo niemand außer Minenarbeitern auch nur auf die Idee kam einzukaufen; es gab eine Stadthalle mit integriertem Gefängnis, vor der ein Windrad stand, das auch als Galgen benutzt wurde; es gab sechs gut gehende Bars, jede schäbiger, schrecklicher und gefährlicher als die vorhergehende.
    Ritzy glich einem hässlichen gesenkten Kopf zwischen zwei riesenhaften hochgezogenen Schultern – dem Vorgebirge. Südlich über der Stadt lagen die Baracken, wo die Company ihre Bergleute unterbrachte; mit jedem Windhauch wehte der Gestank ihrer ungekalkten öffentlichen Abtritte herunter. Im Norden lagen die Minen selbst: gefährliche Geröllschächte ohne Abstützung, die sich rund fünfzehn Meter in die Tiefe erstreckten und dann ausbreiteten wie Finger, die nach Gold und Silber und Kupfer und vereinzelten Feuerjuweldrusen griffen. Von außen waren sie nur Löcher in der kahlen, felsigen Erde, Löcher wie Glotzaugen, jedes mit einem Haufen Geröll und Schotter neben dem Zugang.
    Einst hatte es private Minen hier gegeben, aber die existierten nicht mehr, weil die Vi Castis Company sie alle verdrängt hatte. Depape wusste darüber Bescheid, weil die Großen Sargjäger an diesem kleinen Tanzfest beteiligt gewesen waren. Das war gewesen, kurz nachdem er sich mit Jonas und Reynolds zusammengetan hatte. Sie hatten sich die Särge keine fünfzig Meilen von hier auf die Hände tätowieren lassen, in einem Kaff namens Wind, das noch abgehalfterter als Ritzy war. Wie lange das her war? Konnte er nicht genau sagen, obwohl er meinte, dass er es eigentlich können sollte. Aber wenn es darum ging, vergangene Ereignisse einzuordnen, stand Depape oft auf verlorenem Posten. Es fiel ihm schwer, sich auch nur daran zu erinnern, wie alt er war. Weil die Welt sich weiterbewegt hatte und die Zeit jetzt anders geworden war. Weicher.
    Aber es fiel ihm überhaupt nicht schwer, sich einer bestimmten Sache zu erinnern – die vermaledeiten Schmerzen, die er jedes Mal verspürte, wenn er sich den verletzten Finger anstieß, halfen seinem Gedächtnis da stets auf die Sprünge. Diese eine Sache war sein Schwur, dass er Dearborn, Stockworth und Heath tot in einer Reihe liegen sehen würde, mit ausgestreckten Händen aneinander wie die Papiergirlandenpuppen eines kleinen Mädchens. Er hatte die Absicht, jenes Glied von sich herauszuholen, das sich in den letzten drei Wochen so vergeblich nach Ihrer Hochtrabendheit gesehnt hatte, und damit ihre toten Gesichter abzuspritzen. Den größten Teil dieser Ladung würde er für Arthur

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