Der Dunkle Turm 4 - Glas
habe mehr vergessen, als ihr je lernen werdet, das habe ich. Mindestens einer davon stammte aus dem Geschlecht des Eld, ich habe nämlich seinen Vater in seinem Gesicht gesehen… so deutlich, wie ich deine Hängetitten sehe, Jolene.« Und dann hatte der alte Mistkerl etwas gemacht, was Depape insgeheim bewunderte – er hatte die Bluse der Saloonhure vorgezogen und ihr den Rest seines Biers hineingeschüttet. Nicht einmal das brüllende Gelächter und der Beifall, der daraufhin erschallte, konnten das giftige Keifen des Mädchens völlig übertönen, noch die Schreie des alten Mannes, als sie ihn auf Kopf und Schultern schlug. Die Schreie des Letzteren waren anfangs nur welche der Entrüstung, aber als das Mädchen den Bierkrug des alten Mistkerls ergriff und ihn ihm an den Schädel schlug, wurden Schmerzensschreie daraus. Blut – mit einigen verwässerten Bierschlieren darin – lief dem alten Mistkerl am Gesicht hinab.
»Mach, dass du rauskommst!«, kreischte sie und stieß ihn auf die Tür zu. Mehrere kräftige Tritte der anwesenden Bergarbeiter (die so schnell die Seiten gewechselt hatten, wie der Wind sich drehte) begleiteten ihn. »Und lass dich nicht mehr hier blicken! Ich kann das Gras in deinem Atem riechen, du alter Schwanzlutscher! Verschwinde und nimm deine götterverfluchten Geschichten von alten Zeiten und jungen Lords gleich mit!«
Auf diese Weise wurde der alte Mistkerl durch den ganzen Raum befördert, vorbei an dem tutenden Trompeter, der die Zecher im Hattigan’s unterhalten sollte (der junge Ehrenmann mit dem Bowler auf dem Schädel landete ebenfalls einen Tritt auf dem staubigen Hosenboden des alten Mistkerls, ohne auch nur eine einzige Note von »Play, Ladies, Play« zu verpassen), und schließlich zur Schwingtür hinaus, wo er mit dem Gesicht voraus auf die Straße stürzte.
Depape war ihm nachgegangen und hatte ihm aufgeholfen. Dabei nahm er einen beißenden Geruch – kein Bier – im Atem des alten Mannes wahr und sah die verräterischen graugrünen Verfärbungen an den Mundwinkeln. Gras, wahrhaftig. Der alte Mistkerl hatte vermutlich gerade damit angefangen (und zwar aus den üblichen Gründen: Teufelsgras wuchs umsonst auf den Hügeln, ganz im Gegensatz zu Bier und Whiskey, für die man in der Stadt bezahlen musste), aber wenn man erst mal damit angefangen hatte, kam das Ende meistens ziemlich schnell.
»Sie haben keinen Respekt«, sagte der alte Mistkerl. »Und keine Ahnung.«
»Aye, das haben sie nicht«, sagte Depape, der den Akzent der Küste und der Schräge noch nicht ganz hatte ablegen können.
Der alte Mistkerl stand schwankend da, schaute zu ihm auf und wischte, wenn auch ohne großen Erfolg, das Blut weg, das ihm von der Platzwunde am Kopf über die runzeligen Wangen lief. »Sohn, hast du Geld für einen Drink? Erinnere dich an das Angesicht deines Vaters, und gib einem alten Mann das Geld für einen Drink!«
»Ich bin nicht die Fürsorge, Alter«, sagte Depape, »aber vielleicht könntest du dir das Geld für einen Drink verdienen. Komm hier rüber, in mein Büro, dann werden wir ja sehen.«
Er hatte den alten Mistkerl von der Straße herunter zurück auf den Gehsteig geführt, wobei er sich ein gutes Stück links der schwarzen Schwingtür hielt, über und unter der sich goldenes Licht ins Freie ergoss. Er wartete, bis eine Gruppe von Bergarbeitern vorbei war, die aus vollem Halse sangen (»Woman I love… is long and tall… she moves her body… like a cannonball…«), und dann leitete er den alten Mistkerl, den er immer noch am Ellbogen führte, in die Gasse zwischen dem Hattigan’s und dem Bestattungsunternehmen nebenan. Für manche Leute, überlegte Depape, konnte ein Besuch in Ritzy gut und gern zu einem einmaligen Einkaufserlebnis werden: Hol dir deinen Drink, hol dir deine Kugel, lass dich nebenan aufbahren.
»Dein Büro«, gackerte der alte Mistkerl, während Depape ihn die Gasse entlang zum Bretterzaun und den Abfallhaufen am anderen Ende führte. Der Wind wehte und brannte mit dem Geruch von Schwefel und Karbolsäure aus den Minen in Depapes Nase. Rechts ertönte der Lärm trunkener Ausgelassenheit durch die Wand des Hattigan’s. »Dein Büro, das ist gut.«
»Aye, mein Büro.«
Der alte Mann sah ihn im Licht des Mondes an, der am Ausschnitt des Himmels über der Gasse stand. »Bist du aus Mejis? Oder Tepachi?«
»Vielleicht aus dem einen, vielleicht aus dem andern, vielleicht aus keinem von beiden.«
»Kenne ich dich?« Der alte Mistkerl sah ihn
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