Der Dunkle Turm 4 - Glas
Woran, bitte, konnte das liegen?
»Dein Haar ist feucht, Susan«, sagte sie. »Bist du irgendwo schwimmen gewesen?«
»Nay! Ich habe vor Hookeys Scheune Rast gemacht und den Kopf unter die Pumpe gehalten. Er hat nichts dagegen, es ist ein tiefer Brunnen, den er da hat. Es ist so drückend heiß und schwül. Möglicherweise gibt es später sogar noch ein bisschen Regen. Ich hoffe es zumindest. Außerdem habe ich dort Felicia getränkt.«
Die Augen des Mädchens waren so offen und freimütig wie immer, aber Cordelia fand trotzdem, dass irgendetwas Sonderbares in ihnen lag. Was das war, konnte sie allerdings nicht ausmachen. Der Gedanke, dass Susan ein großes und ernstes Geheimnis hegen könnte, kam Cordelia nicht gleich; sie würde sogar behaupten, dass ihre Nichte kein größeres Geheimnis als ein Geburtstagsgeschenk oder ein Überraschungsfest für sich behalten konnte… und selbst solche Geheimnisse höchstens einen oder zwei Tage lang. Und doch war hier irgendetwas nicht in Ordnung. Cordelia schob ihre Finger in den Kragen von Susans Reithemd.
»Aber das ist trocken.«
»Ich war vorsichtig«, sagte Susan und sah ihre Tante mit einem fragenden Blick an. »Schmutz würde doch leichter an einem nassen Hemd kleben bleiben. Das hast du mir beigebracht, Tante.«
»Du bist zusammengezuckt, als ich dein Haar berührt habe, Susan.«
»Aye«, sagte Susan. »Das bin ich. Die Geisterfrau hat es auf dieselbe Weise berührt. Seitdem mag ich es nicht mehr leiden. Darf ich jetzt die Lebensmittel reinbringen, um dann mein Pferd aus der heißen Sonne zu führen?«
»Sei nicht unverschämt, Susan.« Doch die Gereiztheit in der Stimme ihrer Nichte erleichterte sie auf seltsame Weise. Das Gefühl, dass sich Susan irgendwie verändert hatte – das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war –, ließ etwas nach.
»Dann geh du mir nicht auf die Nerven.«
»Susan! Sofort entschuldigst du dich bei mir!«
Susan holte tief Luft, hielt kurz den Atem an und stieß ihn dann wieder aus. »Ja, Tante. Das tue ich. Aber es ist trotzdem sehr heiß.«
»Aye. Also bring das in die Vorratskammer. Und danke.«
Susan ging mit der Kiste auf den Armen ins Haus. Als das Mädchen weit genug voraus war, dass sie nicht dicht beieinander gehen mussten, folgte Cordelia ihr. Zweifellos war alles eine Grille ihrerseits – ein Argwohn, den ihr Flirt mit Eldred geweckt hatte –, aber das Mädchen war in einem gefährlichen Alter, und vieles hing von ihrem untadeligen Verhalten in den nächsten sieben Wochen ab. Danach würde sie Thorins Problem sein, doch bis dahin blieb sie das von Cordelia. Sie war sich sicher, dass Susan zu guter Letzt ihrem Versprechen die Treue halten würde, aber bis zum Erntejahrmarkt würde Cordelia genau aufpassen müssen. Wenn es um Dinge wie die Jungfräulichkeit eines Mädchens ging, empfahl es sich, äußerst wachsam zu sein.
Z WISCHENSPIEL
K ANSAS
IRGENDWO
IRGENDWANN
Eddie regte sich. Um sie herum jammerte die Schwachstelle immer noch wie eine unangenehme Schwiegermutter; über ihnen funkelten die Sterne so klar wie Hoffnungen… oder böse Absichten. Er betrachtete Susannah, die mit verschränkten Beinstümpfen dasaß; er sah Jake an, der einen Burrito aß, er sah Oy an, der die Schnauze auf Jakes Füßen liegen hatte und mit einem Ausdruck gelassener Bewunderung zu dem Jungen aufschaute.
Das Feuer war niedergebrannt, leuchtete aber noch. Dasselbe galt für den Dämonenmond weit im Westen.
»Roland.« Seine Stimme hörte sich in seinen Ohren alt und rostig an.
Der Revolvermann, der eine Pause gemacht hatte, um einen Schluck Wasser zu trinken, sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
»Wie geht es, dass du jeden Winkel dieser Geschichte kennst?«
Roland wirkte amüsiert. »Ich glaube nicht, dass es das ist, was du wirklich wissen willst, Eddie.«
Damit hatte er Recht – der alte Lange, Große und Hässliche hatte so eine Angewohnheit, Recht zu haben. Das war, soweit es Eddie betraf, eine seiner ärgerlichsten Eigenschaften. »Na gut. Wie lange hast du geredet? Das ist es, was ich wirklich wissen möchte.«
»Fühlst du dich unwohl? Möchtest du schlafen?«
Er macht sich über mich lustig, dachte Eddie… aber noch während er diesen Gedanken hatte, wusste er, dass es nicht stimmte. Nein, er fühlte sich nicht unwohl. Seine Gelenke waren nicht steif, obwohl er mit überkreuzten Beinen dasaß, seit Roland angefangen hatte, ihnen von Rhea und der Glaskugel zu erzählen,
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