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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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(obschon sie Freundinnen hatte, die ihr diesen Gefallen getan hätten); Menschen, die Alibis brauchten, waren Menschen, die Geheimnisse hatten. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Ausritte Tante Cord zunehmend beunruhigten – besonders die in den frühen Abendstunden –, aber bislang billigte sie Susans ständig wiederholte Gründe dafür noch: Sie brauche Zeit, um allein zu sein, um über ihr Versprechen zu meditieren und ihre Verantwortung anzuerkennen. Witzigerweise stammte der Vorschlag mit dem Meditieren ursprünglich von der Hexe vom Cöos.
    Sie trafen sich in dem Weidenwäldchen, in einigen der verlassenen Bootshäuser, die verfallend am nördlichen Ausläufer der Bucht standen, in einer Schäferhütte weit draußen in der Einsamkeit des Cöos, in einem unbewohnten Pflückerschuppen, der versteckt im Bösen Gras lag. Die Treffpunkte waren im Großen und Ganzen so trostlos wie all jene, wo sich Süchtige üblicherweise einfanden, um ihrem Laster zu frönen, aber Susan und Roland sahen weder die verrottenden Wände des Schuppens oder die Löcher im Dach der Hütte, noch rochen sie die schimmelnden Netze in den Ecken der alten, feuchten Bootshäuser. Sie waren im Rausch, rettungslos verliebt, und für sie war jede Narbe im Antlitz der Welt ein Schönheitsmal.
    In den ersten Wochen des Deliriums benutzten sie zweimal den roten Stein an der Wand hinter dem Pavillon, um Treffen zu vereinbaren, aber dann meldete sich tief in Rolands Innerem eine Stimme zu Wort und sagte ihm, dass sie damit aufhören mussten – der Stein mochte genau das Richtige für spielende Kinder gewesen sein, aber er und seine Liebste waren keine Kinder mehr; wenn sie entdeckt wurden, war Verbannung die mildeste Strafe, auf die sie hoffen konnten. Der rote Stein war zu auffällig, außerdem war es schrecklich gefährlich, Nachrichten aufzuschreiben, selbst wenn sie nicht unterzeichnet und bewusst undeutlich gehalten wurden.
    Sheemie zu benutzen kam ihnen beiden da doch sicherer vor. Unter seiner lächelnden Gedankenlosigkeit verbarg sich eine überraschend tiefe… nun ja, Diskretion. Roland hatte lange und gründlich nachgedacht, bevor er sich für dieses Wort entschied, und es war das richtige Wort: eine Fähigkeit, die würdevoller war als blanke Verschlagenheit. Zu Verschlagenheit wäre Sheemie ohnehin nicht fähig gewesen, und so würde es auch immer bleiben – ein Mann, der einem keine Lüge auftischen konnte, ohne dabei den Blick abwenden zu müssen, war ein Mann, den man nicht als verschlagen betrachten konnte.
    Sie benutzten Sheemie ein halbes Dutzend Mal im Lauf der fünf Wochen, in denen ihre körperliche Liebe am heißesten brannte – dreimal, um Treffen zu vereinbaren, zweimal, um Treffpunkte zu ändern, und einmal, um ein Stelldichein abzusagen, weil Susan nämlich Reiter von der Piano Ranch erspäht hatte, die in der Nähe des Schuppens im Bösen Gras nach verstreuten Tieren suchten.
    Die tiefe, warnende Stimme richtete Sheemies wegen nie das Wort an Roland, wie sie es hinsichtlich der Gefahren des roten Steins getan hatte… aber sein Gewissen meldete sich bei ihm, und als er es schließlich Susan gegenüber erwähnte (als die beiden, in eine Satteldecke eingehüllt, einander nackt in den Armen lagen), erfuhr er, dass auch sie von Gewissensbissen geplagt wurde. Es war nicht recht, den Jungen ihretwegen in Gefahr zu bringen. Nachdem sie zu dieser Schlussfolgerung gelangt waren, vereinbarten Roland und Susan ihre Treffen ausschließlich unter sich. Wenn sie ihn nicht treffen konnte, sagte Susan, würde sie ein rotes Hemd an ihrem Fenstersims aufhängen, so als wollte sie es trocknen. Wenn es hingegen ihm verwehrt war, sie zu sehen, sollte er einen weißen Stein in der nordöstlichen Ecke des Hofs hinlegen, schräg gegenüber von Hookeys Mietstall, wo sich ja auch die Wasserpumpe der Stadt befand. Als letzte Möglichkeit wollten sie lieber auf den roten Stein im Pavillon zurückgreifen, so riskant das auch sein mochte, als Sheemie wieder in ihre Angelegenheiten – ihre Affäre – hineinzuziehen.
    Cuthbert und Alain verfolgten Rolands Abstieg in die Sucht zuerst mit Unglauben, Neid und besorgter Fassungslosigkeit, schließlich mit einer Art stummem Grauen. Sie waren an einen scheinbar sicheren Ort geschickt worden und stattdessen einer Verschwörung auf die Spur gekommen; sie waren gekommen, um Zählungen in einer Baronie durchzuführen, wo der größte Teil der Aristokratie offenbar zum erbittertsten Feind des Bundes

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