Der Dunkle Turm 4 - Glas
her, Eldred!«, sagte Reynolds. »Zwei von den Innerwelt-Jungs! Wissen eure Mamis eigentlich, dass ihr euch draußen herumtreibt, Freunde?«
»Sie wissen es«, sagte Cuthbert strahlend. »Sie sehen übrigens sehr gut aus, Sai Reynolds. Das feuchte Wetter scheint Ihren Pickeln gut zu bekommen, richtig?«
Ohne Bert anzusehen oder sein freundliches Lächeln aufzugeben, stieß Roland seinen Freund mit dem Ellbogen an der Schulter an. »Verzeihen Sie meinem Freund, Sai. Sein Humor überschreitet regelmäßig die Grenzen des guten Geschmacks; offenbar kann er nichts dafür. Es besteht keine Veranlassung, dass wir aufeinander herumhacken – wir waren uns einig, die Vergangenheit ruhen zu lassen, oder nicht?«
»Aye, gewiss, alles ein Missverständnis«, sagte Jonas. Er hinkte zum Schreibtisch mit dem Spielbrett darauf. Als er sich hinsetzte, wurde sein Lächeln zu einer galligen Grimasse. »Ich bin schlimmer als ein alter Hund«, sagte er. »Jemand sollte mir den Gnadenschuss geben, so ist es. Die Erde ist kalt, tut aber nicht weh, was, Jungs?«
Er sah auf das Brett und führte eine Figur um den Hügel herum. Er war in die Offensive gegangen, und damit verwundbar… wenn auch in diesem Fall nicht sehr, dachte Roland; Hilfssheriff Hollis schien kein nennenswerter Gegner zu sein.
»Wie ich sehe, stehen Sie inzwischen im Dienst der Baronie«, sagte Roland und nickte zu dem Stern an Jonas’ Hemd.
»Dienst, darauf läuft’s hinaus«, sagte Jonas liebenswürdig. »Ein Mann hat sich das Bein gebrochen. Ich helfe aus, das ist alles.«
»Und Sai Reynolds? Sai Depape? Helfen die ebenfalls aus?«
»Yar, schätze schon«, sagte Jonas. »Und? Wie geht Ihre Arbeit bei den Fischersleuten voran? Langsam, wie man hört.«
»Wir sind endlich fertig. Die Arbeit ging wohl nicht so langsam voran wie wir. Aber in Ungnade hierher zu kommen hat uns gereicht – wir haben nicht die Absicht, ebenso wieder abzureisen. Langsam, aber sicher kommt man ans Ziel, wie man sagt.«
»Das tut man«, stimmte Jonas zu. »Wer immer ›man‹ auch sein mag.«
Irgendwo im Inneren des Gebäudes ertönte das Rauschen einer Wasserspülung. Die haben hier im Sheriffsbüro von Hambry wirklich jeden Komfort, dachte Roland. Dem Geräusch der Spülung folgte wenig später das Stapfen von Schritten, und Augenblicke später kam Herk Avery herein. Mit einer Hand machte er den Gürtel zu, mit der anderen wischte er sich die breite und schweißnasse Stirn ab. Roland bewunderte den Mann für seine Geschicklichkeit.
»Puh!«, rief der Sheriff aus. »Die Bohnen, die ich gestern Abend gegessen habe, haben die Abkürzung genommen, das kann ich euch sagen.« Er sah von Roland zu Cuthbert und dann wieder zu Roland. »Na, ihr Jungs! Zu nass, um Netze zu zählen, was?«
»Sai Dearborn hat gerade gesagt, dass sie damit fertig sind«, sagte Jonas. Er kämmte sich mit den Fingerspitzen das lange Haar zurück. Hinter ihm lehnte Clay Reynolds wieder am schwarzen Brett und sah sie mit unverhohlener Abneigung an.
»Aye? Nun, wie schön, wie schön. Was kommt als Nächstes, Jungs? Und können wir euch irgendwie dabei helfen? Das machen wir nämlich besonders gern, Hilfe leisten, wo Hilfe vonnöten ist. So ist es.«
»Ihr könntet uns tatsächlich helfen«, sagte Roland. Er zog die Liste aus dem Gürtel. »Wir müssen uns jetzt die Schräge vornehmen, möchten aber niemandem zur Last fallen.«
Hilfssheriff Dave Hollis grinste breit und schob seinen Knappen um den eigenen Hügel herum. Jonas bot sofort Kastell und riss Hollis’ gesamte linke Flanke auf. Das Grinsen verschwand von dessen Gesicht und hinterließ eine verwirrte Leere. »Wie habt Ihr das gemacht?«
»Ganz leicht.« Jonas lächelte, stieß sich vom Tisch ab und schenkte nun auch den anderen seine Beachtung. »Sie sollten nicht vergessen, Dave, dass ich spiele, um zu gewinnen. Ich kann nichts dafür; so bin ich nun einmal.« Er wandte seine ganze Aufmerksamkeit nun Roland zu. Das Lächeln wurde breiter. »Wie der Skorpion zu der Jungfer sagte, als sie im Sterben lag: ›Du hast doch gewusst, dass ich giftig bin, als du mich aufgehoben hast.‹«
6
Nachdem Susan das Vieh gefüttert hatte und wieder ins Haus kam, ging sie wie immer geradewegs in die Kühlkammer, um sich Saft zu holen. Sie bemerkte nicht, dass ihre Tante in der Kaminecke stand und sie beobachtete, weshalb sie, als Cordelia schließlich den Mund aufmachte, zutiefst erschrak. Nicht nur, weil die Stimme so unerwartet kam, sondern auch
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