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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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wurden. Die Strohpuppe ihrer Tante raschelte am Pfosten im Garten.
    Sie duckte sich in den duftenden Schatten des Stalls. Pylon und Felicia schnaubten zur Begrüßung, und sie teilte das, was sie nicht gegessen hatte, unter ihnen auf. Sie schienen sich darüber zu freuen. Besonders verwöhnte sie Felicia, die sie bald zurücklassen würde.
    Sie hatte das kleine Büro seit dem Tod ihres Vaters gemieden, weil sie sich genau vor dem Schmerz gefürchtet hatte, den sie jetzt verspürte, als sie die Luke aufmachte und hineinging. Die schmalen Fenster waren von Spinnweben verhangen, ließen das helle Herbstlicht aber noch durch, mehr als genug, um seine Pfeife im Aschenbecher zu sehen – die rote, seine Lieblingspfeife, die er seine Denkpfeife genannt hatte – und ein bisschen Zaumzeug, das er auf seinen Schreibtischstuhl gelegt hatte. Wahrscheinlich hatte er es bei Gaslicht ausgebessert und am nächsten Tag zu Ende bringen wollen… Dann hatte die Schlange ihren Tanz unter Foams Hufen aufgeführt, und es hatte keinen nächsten Tag mehr gegeben. Nicht für Pat Delgado.
    »O Da’«, sagte sie mit leiser, gebrochener Stimme. »Ich vermisse dich so sehr.«
    Sie ging zum Schreibtisch, strich mit den Fingern über die Platte und hinterließ im Staub dabei Streifen. Sie setzte sich auf seinen Stuhl, hörte ihn unter sich knirschen, wie er stets unter ihm geknirscht hatte, und das war zu viel für sie. Die nächsten fünf Minuten saß sie einfach nur da und weinte und drückte die Fäuste in die Augen, wie sie es auch als kleines Mädchen immer getan hatte. Aber natürlich gab es jetzt keinen Big Pat mehr, der kam und sie aufmunterte, sie auf den Schoß nahm und an der empfindlichen Stelle unter dem Kinn küsste (die besonders empfindlich für die Bartstoppeln über seiner Oberlippe gewesen war), bis ihre Tränen in ein Kichern übergingen. Zeit war ein Gesicht auf dem Wasser, und diesmal war es das Gesicht ihres Vaters.
    Schließlich versiegten die Tränen zu einem Schniefen. Sie zog eine Schublade nach der anderen auf und fand dort weitere Pfeifen vor (viele unbrauchbar, weil er ständig auf den Stielen herumgekaut hatte), einen Hut, eine ihrer alten Puppen (mit einem abgebrochenen Arm, den Pat offenbar nie wieder festgemacht hatte), Federhalter, ein kleines Fläschchen – leer, aber immer noch von einem schwachen Whiskeyduft erfüllt. Das einzig Interessante fand sie in der unteren Schublade: ein Paar Sporen. Ein Sporn besaß noch das Sternenrad, aber bei dem anderen war es abgebrochen. Sie war sich einigermaßen sicher, dass er diese Sporen an dem Tag getragen hatte, als er gestorben war.
    Wenn mein Da’ hier wäre, hatte sie an jenem Tag auf der Schräge gesagt. Aber das ist er nicht, hatte Roland geantwortet. Er ist tot.
    Ein Paar Sporen, ein abgebrochenes Spornrad.
    Sie wog sie in der Hand, sah Foam vor ihrem geistigen Auge scheuen und ihren Vater abwerfen (ein Sporn verfängt sich im Steigbügel; das Rädchen bricht ab), dann stolpert das Pferd seitwärts und begräbt ihn unter sich. Das alles sah sie deutlich vor sich, aber nicht die Schlange, von der Fran Lengyll ihnen erzählt hatte. Die konnte sie überhaupt nicht sehen.
    Sie legte die Sporen dorthin zurück, wo sie sie gefunden hatte, stand auf und betrachtete das Regal rechts des Schreibtischs, genau in Reichweite von Pat Delgados Hand. Hier befand sich eine Reihe von ledergebundenen Kladden, ein kostbarer Schatz in einer Gesellschaft, die vergessen hatte, wie man Papier herstellte. Ihr Vater war fast dreißig Jahre für die Pferde der Baronie verantwortlich gewesen, und hier waren seine Züchterkladden, die es bewiesen.
    Susan nahm die letzte herunter und blätterte sie durch. Diesmal begrüßte sie den Schmerz beinahe, den sie verspürte, als sie die vertraute Handschrift ihres Vaters sah – die mühsame Schrift, die aufrechten und irgendwie selbstbewussteren Zahlen:
     
    Geboren von HENRIETTA, (2) Fohlen beide wohlauf
    Totgeburt von DELIA, ein Rotfuchs (MUTANT)
    Geboren von YOLANDA, ein VOLLBLUT, ein GUTES HENGSTFÜLLEN
     
    Und nach jedem das Datum. So ordentlich war er gewesen. So gründlich. So…
    Sie hielt plötzlich inne, und ihr wurde bewusst, dass sie das gefunden hatte, wonach sie suchte, obwohl sie ohne klare Vorstellung hergekommen war, was sie hier eigentlich wollte. Die letzten Dutzend Seiten der letzten Züchterkladde ihres Da’ waren herausgerissen worden.
    Wer hatte das getan? Nicht ihr Vater; als weitgehender Autodidakt hatte er Papier so

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