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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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sehr verehrt wie manche Menschen Götter oder Gold.
    Und warum hatte man es getan?
    Das glaubte sie zu wissen: Pferde, ’ne ganze Herde. Es waren zu viele auf der Schräge. Und die Rancher – Lengyll, Croydon, Renfrew – erzählten Lügen über die Qualität der Erblinien. Was auch Henry Wertner tat, der Nachfolger ihres Vaters geworden war.
    Wenn mein Da’ hier wäre.
    Aber das ist er nicht. Er ist tot.
    Sie hatte Roland gesagt, sie könne nicht glauben, dass Fran Lengyll lügen würde, was den Tod ihres Vaters betreffe… aber jetzt konnte sie das.
    Die Götter mögen ihr helfen, jetzt konnte sie es glauben.
    »Was machst du hier drinnen?«
    Sie stieß einen leisen Schrei aus, ließ die Kladde fallen und wirbelte herum. Cordelia stand in einem ihrer verschossenen schwarzen Kleider vor ihr. Die obersten drei Knöpfe waren offen, und Susan konnte links und rechts das Schlüsselbein ihrer Tante über dem einfachen weißen Stoff des Unterkleids hervorstehen sehen. Erst als sie diese hervorstehenden Knochen sah, wurde Susan klar, wie viel Gewicht ihre Tante in den letzten drei Monaten verloren haben musste. Sie konnte den roten Abdruck des Kissens auf der linken Wange ihrer Tante sehen – wie das Mal einer Ohrfeige. Ihre Augen funkelten aus dunklen, aufgedunsenen Tränensäcken.
    »Tante Cord! Du hast mich erschreckt! Du…«
    »Was machst du hier drinnen?«, wiederholte Tante Cord ihre Frage.
    Susan bückte sich und hob die Kladde auf. »Ich bin hergekommen, um meines Vaters zu gedenken«, sagte sie und stellte die Kladde wieder auf das Regal. Wer hatte diese Seiten herausgerissen? Lengyll? Rimer? Das bezweifelte sie. Sie hielt es für wahrscheinlicher, dass die Frau, die gerade vor ihr stand, es getan hatte. Vielleicht für die Kleinigkeit von einem einzigen Stück Rotgold. Keine Fragen, keine Antworten, also ist alles gut, hatte sie wahrscheinlich gedacht und die Münze in ihre Geldkiste geworfen, nicht ohne vorher darauf zu beißen, um deren Echtheit zu prüfen.
    »Seiner gedenken? Seine Verzeihung solltest du erflehen. Du hast sein Angesicht vergessen, das hast du. Aufs Schmerzlichste hast du es vergessen, Sue.«
    Susan sah sie nur an.
    »Bist du heute bei ihm gewesen?«, fragte Cordelia mit einer spröden, lachenden Stimme. Sie hob die Hand zum roten Abdruck des Kissens und strich darüber. Es war ihrer Tante schrittweise schlechter gegangen, wurde Susan klar, aber seit allerorten über Jonas und Coral Thorin getratscht wurde, hatte ihr Zustand sich drastisch verschlimmert. »Bist du bei Sai Dearborn gewesen? Ist deine Spalte noch feucht vom Tau seiner Lust? Komm her, lass mich selbst sehen!«
    Ihre Tante kam näher geschlichen – geisterhaft mit dem schwarzen Kleid, dem offenen Kragen, den Pantoffeln an den Füßen –, und Susan schubste sie weg. In ihrer Angst und ihrem Abscheu stieß sie fest zu. Cordelia prallte neben dem mit Spinnweben verhangenen Fenster an die Wand.
    »Du selbst solltest um Vergebung bitten«, sagte Susan. »So mit seiner Tochter zu sprechen – an diesem Ort. An diesem Ort.« Sie ließ den Blick zu den Kladden wandern, dann wieder zu ihrer Tante. Der Ausdruck ängstlicher Berechnung in Cordelia Delgados Gesicht sagte ihr alles, was sie wissen musste oder wollte. Sie hatte nichts mit der Ermordung ihres Bruders zu tun gehabt, das konnte Susan gern glauben, aber davon gewusst hatte sie etwas. Ja, etwas.
    »Du treuloses Luder«, flüsterte Cordelia.
    »Nein«, sagte Susan. »Ich war treu.«
    Und das, wurde Susan klar, war die Wahrheit. Bei dem Gedanken schien eine große Last von ihren Schultern genommen zu werden. Sie ging zur Tür des Büros und drehte sich dort zu ihrer Tante um. »Ich habe meine letzte Nacht hier geschlafen«, sagte sie. »So etwas werde ich mir nicht mehr anhören. Und ich will dich nicht mehr in diesem Zustand sehen. Es tut mir im Herzen weh und stiehlt die Liebe, die ich seit meiner Kindheit für dich empfunden habe, als du dir große Mühe gegeben hast, meine Ma zu ersetzen.«
    Cordelia schlug die Hände vors Gesicht, als würde es sie quälen, Susan anzusehen.
    »Dann geh!«, schrie sie. »Gehe Sie nach Seafront zurück, oder wo immer Sie sich mit diesem Jungen im Heu wälzt! Ich werde mich glücklich schätzen, wenn ich Ihr verlogenes Gesicht nicht mehr sehen muss!«
    Susan führte Pylon aus dem Stall. Als sie ihn im Hof hatte, schluchzte sie so sehr, dass sie fast nicht aufsitzen konnte. Aber sie saß auf, und sie konnte nicht leugnen, dass sie sowohl

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