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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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dass sie sich heute Nacht auf Seafront aufhielten. Außerdem hatte er eine Ahnung, als wäre Schwarzarbeit angesagt, doch das wusste er nicht mit Sicherheit. Er sah zum zweiköpfigen, glasig dreinschauenden Wildfang hinauf. »Und will es auch nicht wissen, alter Freund«, sagte er. »Ich will nur rund neun Stunden Schlaf – morgen geht das Fest erst richtig los, und sie werden nicht vor Tagesanbruch nach Hause gehen. Also…«
    Ein schriller Schrei ertönte irgendwo hinter dem Gebäude. Stanley zuckte zurück und stieß gegen den Tresen. Neben dem Klavier hob Sheb kurz den Kopf, murmelte »Wassn!«, und ließ ihn polternd wieder sinken.
    Stanley verspürte nicht den geringsten Wunsch, nach der Ursache des Schreis zu sehen, ging aber davon aus, dass er es trotzdem tun würde. Hatte sich nach diesem traurigen alten Flittchen Pettie dem Trampel angehört. »Ich würde deinen alten Hängearsch am liebsten aus der Stadt raustrampeln«, murmelte er, bückte sich und sah unter den Bartresen. Dort bewahrte er zwei solide Schläger aus Eschenholz auf, den »Besänftiger« und den »Totschläger«. Der Besänftiger bestand aus glattem, knotigem Holz, und wenn man den Kopf eines randalierenden Trunkenbolds damit an der richtigen Stelle antippte, gingen garantiert zwei Stunden lang die Lichter aus.
    Stanley verließ sich auf sein Gefühl und nahm den anderen Schläger. Der war kürzer als der Besänftiger und oben breiter. Und der entscheidende Teil des Totschlägers war mit Nägeln gespickt.
    Stanley ging zum Ende des Tresens, zur Tür hinaus und durch einen düsteren Vorratsraum mit Fässern, die nach Graf und Whiskey rochen. Am anderen Ende führte eine Tür auf den Hof. Stanley ging darauf zu, holte tief Luft und schloss auf. Er rechnete damit, dass Pettie noch einen ohrenbetäubenden Schrei ausstoßen würde, aber es kam keiner mehr. Nur das Geräusch des Windes war zu hören.
    Vielleicht hast du Glück, und es hat sie einer kaltgemacht, dachte Stanley. Er öffnete die Tür, wich zurück und hob gleichzeitig den nagelbewehrten Schläger.
    Pettie war nicht kaltgemacht worden. Die Hure trug einen fleckigen Kittel (ein Pettie-Kleid, konnte man sagen), stand am Pfad, der zum Abort führte, und hatte die Hände über ihrem drallen Busen und unter den Truthahnfalten ihres Halses zusammengeschlagen. Sie sah zum Himmel hinauf.
    »Was ist?«, fragte Stanley und lief zu ihr. »Du hast mich fast zehn Jahre meines Lebens gekostet, so hast du mich erschreckt.«
    »Der Mond, Stanley!«, flüsterte sie. »Oh, schau dir doch nur den Mond an!«
    Er sah hinauf, und was er sah, ließ sein Herz schneller schlagen, aber er versuchte, vernünftig und ruhig zu sprechen. »Komm schon, Pettie, das ist nur Staub, mehr nicht. Sei vernünftig, Schöne, du weißt, wie der Wind die letzten Tage geweht hat, und kein Regen fällt, um runterzuspülen, was er mit sich bringt; es ist Staub, mehr nicht.«
    Aber es sah nicht wie Staub aus.
    »Ich weiß, was ich sehe«, flüsterte Pettie.
    Über ihnen grinste der Dämonenmond und blinzelte mit einem Auge durch etwas hindurch, was wie ein fließender Vorhang aus Blut aussah.

Kapitel 7
    D IE K UGEL WIRD GEHOLT
     
    1
     
    Während eine gewisse Hure und ein gewisser Barkeeper immer noch zu dem blutigen Mond hinaufstarrten, erwachte Kimba Rimer niesend.
    Verdammt, eine Erkältung zum Erntefest, dachte er. So oft, wie ich die nächsten zwei Tage rausmuss, kann ich von Glück reden, wenn es keine…
    Etwas flatterte an seiner Nasenspitze vorbei, und er musste wieder niesen. Aus seiner schmalen Brust und dem trockenen Schlitz seines Mundes hervorgestoßen, klang es in dem schwarzen Zimmer wie der Schuss aus einer kleinkalibrigen Pistole.
    »Wer ist da!«, rief er.
    Keine Antwort. Rimer stellte sich plötzlich einen Vogel vor, etwas Gemeines und Übellauniges, das bei Tage hier eingedrungen war und nun im Dunkeln herumflog und dabei über sein Gesicht hinwegstrich, während er schlief. Er bekam eine Gänsehaut – Vögel, Käfer, Fledermäuse, er hasste sie alle – und tastete so hektisch nach der Gaslaterne auf dem Tisch neben seinem Bett, dass er sie fast heruntergestoßen hätte.
    Als er sie zu sich zog, kam das Flattern wieder. Diesmal strich es ihm über die Wange. Rimer schrie, ließ sich in sein Kissen sinken und drückte die Lampe an die Brust. Er drehte den Schalter an der Seite, hörte Gas zischen und drückte den Zünder. Die Lampe leuchtete auf, aber in ihrem schwachen Lichtkreis sah er nicht etwa einen

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