Der Dunkle Turm 4 - Glas
liebkoste seine Brustwarze, die sofort unter ihren Fingerspitzen hart wurde. »Vogel und Bär und Fisch und Hase«, sagte sie und küsste ihn federleicht im ganzen Gesicht. »Lies meiner Liebsten ihren Wunsch von der Nase.«
Hinterher lagen sie unter einem Bärenfell, das Roland mitgebracht hatte, und horchten, wie der Wind durch das Gras wehte.
»Ich liebe dieses Geräusch«, sagte sie. »Ich wünsche mir dann stets, ich könnte ein Teil des Windes sein… dahin gehen, wohin er geht, und das sehen, was er sieht.«
»Wenn das Ka es erlaubt, wirst du das noch in diesem Jahr können.«
»Aye. Und mit Ihm.« Sie drehte sich zu ihm um und stützte sich auf einen Ellbogen. Licht fiel durch das löcherige Dach und sprenkelte ihr Gesicht. »Roland, ich liebe Ihn.« Sie küsste ihn… und dann fing sie an zu weinen.
Er nahm sie besorgt in die Arme. »Was ist? Sue, was grämt Sie?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie und weinte noch heftiger. »Ich weiß nur, dass ein Schatten auf meinem Herzen liegt.« Sie sah ihn an, während ihr die Tränen noch aus den Augen flossen. »Er würde mich nicht verlassen, Liebster, oder? Er würde nicht ohne Sue gehen, oder doch?«
»Nein.«
»Habe ich dir doch alles gegeben, was ich besaß, das habe ich. Und meine Jungfräulichkeit ist das Geringste darunter, das weiß Er.«
»Ich würde dich nie verlassen.« Aber er verspürte trotz des Bärenfells eine Kälte, und der Wind draußen – der eben noch so tröstlich geklungen hatte – hörte sich auf einmal an wie das Schnaufen einer Bestie. »Niemals, ich schwöre es.«
»Ich habe trotzdem Angst. Das habe ich wahrlich.«
»Musst du nicht«, sagte er langsam und mit Bedacht… plötzlich lagen ihm nämlich alle möglichen falschen Worte auf der Zunge. Wir gehen weg, Susan – nicht übermorgen, am Erntetag, sondern gleich jetzt, in dieser Minute. Zieh dich an, und wir gehen quer zum Wind; wir reiten nach Süden und werfen nicht einen Blick zurück. Wir werden…
– heimgesucht werden.
Das würden sie. Heimgesucht von den Gesichtern von Alain und Cuthbert; heimgesucht von den Gesichtern aller Männer, die in den Shavéd-Bergen durch Waffen sterben könnten, die aus Waffenkammern gestohlen wurden, wo sie besser hätten bleiben sollen. Am meisten aber heimgesucht von den Angesichten ihrer Väter, und zwar für den Rest ihres Lebens. Nicht einmal der Südpol würde weit genug entfernt sein, um diesen Angesichten zu entkommen.
»Morgen Mittag musst du nichts anderes tun, als nach dem Essen eine Unpässlichkeit vorzuschützen.« Sie hatten das alles zuvor schon durchgesprochen, aber nun, in seiner plötzlichen, grundlosen Furcht fiel ihm nichts anderes ein. »Geh auf dein Zimmer, dann entferne dich wie in der Nacht, als wir uns auf dem Friedhof getroffen haben. Versteck dich eine Weile. Und wenn es drei Uhr ist, reite hierher und sieh unter den Häuten in der Ecke nach. Wenn meine Revolver weg sind – und sie werden weg sein, ich schwöre es –, dann ist alles in Ordnung. Du kommst uns dann entgegengeritten. Komm zu der Stelle über dem Canyon, von der wir dir erzählt haben. Wir…«
»Aye, das weiß ich alles, aber etwas stimmt trotzdem nicht.« Sie sah ihn an, berührte sein Gesicht. »Ich habe Angst um dich und mich, Roland, obwohl ich den Grund dafür nicht kenne.«
»Alles wird gut«, sagte er. »Ka…«
»Sprich mir nicht von Ka!«, schrie sie. »O bitte nicht! Das Ka ist wie ein Wind, hat mein Vater gesagt, es nimmt sich, was es will, und achtet weder auf das Flehen von Mann noch Frau. Das gierige alte Ka, wie ich es hasse!«
»Susan…«
»Nein, sag nichts mehr.« Sie lehnte sich zurück, schob das Bärenfell bis zu den Knien und entblößte dabei einen Körper, für den größere Männer als Hart Thorin ein Königreich weggegeben hätten. Sonnenlichtflecken zogen wie Regen über ihre nackte Haut. Sie streckte die Arme nach ihm aus. Für Roland hatte sie nie schöner ausgesehen als da, mit dem offenen, ausgebreiteten Haar und dem gequälten Gesichtsausdruck. Später würde er denken: Sie wusste es. Irgendwie wusste sie es.
»Keine Worte mehr«, sagte sie. »Der Worte sind genug gewechselt. Wenn du mich liebst, dann liebe mich.«
Und Roland entsprach ihrem Wunsch ein letztes Mal. Sie bewegten sich im Einklang, Haut an Haut und Atem an Atem, und draußen wehte brausend der Wind nach Westen wie eine Flutwelle.
12
An diesem Abend, als der grinsende Dämon gerade am Himmel aufging, verließ Cordelia ihr Haus
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