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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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prickelte. Das Ding, das diesen Schrei ausgestoßen hatte, hörte sich kaum noch wie ein Mensch an.
    »Rhea!«, rief Jonas noch einmal. »Bring es sofort heraus, Weib, und gib es her! Ich habe keine Zeit, Spielchen mit dir zu spielen!«
    Die Tür der Hütte wurde aufgestoßen. Depape und Jonas zogen die Waffen, als die alte Vettel herauskam und im Sonnenlicht wie etwas blinzelte, was sein ganzes Leben in einer Höhle verbracht hatte. Sie hielt John Farsons Lieblingsspielzeug hoch über den Kopf. Es gab genügend Steine im Hof, gegen die sie die Kugel werfen konnte, aber selbst wenn sie schlecht zielte und alle verfehlte, könnte die Kugel dennoch zerschellen.
    Das konnte schlimm ausgehen, und Jonas wusste es – manchen Leuten konnte man einfach nicht drohen. Er hatte den Bengeln (deren Gefangennahme ironischerweise das reinste Kinderspiel gewesen war) so viel Aufmerksamkeit gewidmet, dass ihm nie in den Sinn gekommen war, sich um diesen Teil Sorgen zu machen. Und Kimba Rimer, der Mann, der Rhea als vollkommene Hüterin von Maerlyns Regenbogen vorgeschlagen hatte, war tot. Wenn hier oben also etwas schief ging, konnte man Rimer dafür also schlecht zur Verantwortung ziehen, oder?
    Und als er schon dachte, sie wären jetzt so weit nach Westen gegangen, wie sie nur konnten, ohne vom kalten Ende der Erde herunterzufallen, hörte Jonas, um die Lage zusätzlich zu komplizieren, das Klicken, mit dem Depape den Hahn seines Revolvers spannte.
    »Steck das weg, du Idiot!«, fauchte er.
    »Aber sieh sie dir doch an!«, jammerte Depape fast. »Sieh sie dir an, Eldred.«
    Er sah sie sich an. Das Ding in dem schwarzen Kleid schien den Kadaver einer verwesenden Schlange als Kollier um den Hals zu tragen. Sie war so abgemagert, dass sie wie ein wandelndes Skelett aussah. Der grindige Schädel wurde nur noch von einzelnen Haarbüscheln geziert; der Rest war ausgefallen. Schwären bedeckten ihre Stirn und die Wangen, und auf der linken Seite des Mundes hatte sie ein Wundmal wie von einem Spinnenbiss. Jonas dachte, Letzteres könnte gut ein Skorbutmal sein, aber eigentlich interessierte ihn das so oder so nicht. Was ihn interessierte, war die Glaskugel, die die sterbende Frau hoch erhoben in ihren langen und zitternden Klauen hielt.
     
     
    11
     
    Das Sonnenlicht blendete Rhea so sehr, dass sie die Waffe nicht sah, die auf sie gerichtet war, und als sich ihr Sehvermögen angepasst hatte, hatte Depape sie schon wieder eingesteckt. Sie sah die Männer an, die ihr in einer Reihe gegenüberstanden – die rothaarige Brillenschlange, den mit dem Mantel und Old Weißhaar Jonas –, und stieß ein staubiges, krächzendes Lachen aus. Hatte sie wirklich Angst vor denen gehabt, vor diesen mächtigen Sargjägern? Vermutlich schon, aber warum, um der Götter willen, warum nur? Sie waren Männer, das war alles, nur Männer, und die hatte sie ihr Leben lang besiegt. Oh, sie glaubten, dass sie die Welt regierten, schon wahr – niemand in Mittwelt warf jemandem vor, er hätte das Angesicht seiner Mutter vergessen –, aber sie waren im Grunde genommen alle nur armselige Kreaturen, ein trauriges Lied rührte sie zu Tränen, der Anblick einer nackten Brust raubte ihnen den Verstand, und gerade weil sie sich für stark und hart und weise hielten, ließen sie sich umso leichter handhaben.
    Das Glas war dunkel, aber sosehr sie diese Dunkelheit auch hasste, sie hatte ihr Denken geklärt.
    »Jonas!«, rief sie. »Eldred Jonas!«
    »Ich bin hier, altes Mütterchen«, sagte er. »Lange Tage und angenehme Nächte.«
    »Lass das Getue, dafür ist die Zeit zu kurz.« Sie kam vier Schritte näher und blieb stehen, hielt die Kugel aber immer noch über den Kopf. In ihrer Nähe ragte ein graues Stück Stein aus dem von Unkraut überwucherten Boden heraus. Sie sah es kurz an, dann wieder Jonas. Was sie damit meinte, blieb unausgesprochen, war aber völlig eindeutig.
    »Was willst du?«, fragte Jonas.
    »Die Kugel ist dunkel geworden«, sagte sie ausweichend. »Die ganze Zeit, als ich sie in Verwahrung hatte, war sie lebendig – aye, selbst wenn sie nichts Sichtbares gezeigt hat, hat sie hell und rosa geleuchtet –, aber als sie deine Stimme gehört hat, ist sie sofort erloschen. Sie will nicht mit dir gehen.«
    »Trotzdem habe ich den Befehl, sie mitzunehmen.« Jonas’ Stimme wurde leise und betörend. Es war nicht ganz der Ton, den er im Bett bei Coral anschlug, aber fast. »Denk kurz nach, dann wirst du meine Lage verstehen. Farson will sie, und wer bin ich,

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