Der Dunkle Turm 4 - Glas
nach Westen ziehen zu müssen. Er hatte kein gutes Gefühl, was den Hanging Rock, Latigo und die Tankwagen betraf… eigentlich die ganze Geschichte. Die Götter wussten, warum. »Jetzt gleich?«
»Warte noch einen Augenblick«, sagte Jonas. »Möglicherweise muss ja genau hier gleich jemand getötet werden. Wer weiß? Aber es sind die unbeantworteten Fragen, die es die Mühe wert machen, am Morgen aufzustehen, auch wenn man Schmerzen im Bein hat wie in einem löchrigen Zahn. Würdest du nicht auch sagen?«
»Ich weiß nicht, Eldred.«
»Sai Renfrew, behalten Sie unseren hübschen Sonnenschein kurz im Auge. Ich muss ein Stück Eigentum wieder an mich nehmen.«
Seine Stimme hallte weit – so hatte es auch sein sollen –, und Rheas Gackern verstummte urplötzlich, als wäre es ihr mit einer Sichel aus dem Hals geschnitten worden. Lächelnd ritt Jonas zu dem schwarzen Karren mit den fröhlichen goldenen Symbolen. Reynolds ritt links von ihm, und Jonas spürte mehr, als er sah, wie Depape rechts einschwenkte. Roy war wirklich ein guter Junge; ein bisschen weich im Kopf, aber mit dem Herzen am rechten Fleck, und man musste ihm wenigstens nicht alles sagen.
Mit jedem Schritt von Jonas’ Pferd wich Rhea ein Stückchen in ihrem Karren zurück. Ihre Augen in den tiefen Höhlen sahen von einer Seite auf die andere und suchten nach einem Ausweg, den es nicht gab.
»Bleib mir vom Leibe, gemeiner Mann!«, rief sie und streckte ihm eine Hand entgegen. Mit der anderen drückte sie den Beutel mit der Glaskugel noch fester an sich. »Bleib mir vom Leibe, oder ich rufe die Blitze, damit sie dich auf deinem Pferd da oben treffen! Und deine wüsten Freunde gleich mit!«
Jonas glaubte, dass Roy daraufhin etwas zögerte. Aber Clay tat das nicht, und Jonas selbst auch nicht. Er schätzte, dass sie eine Menge bewerkstelligen konnte… zumindest früher einmal. Aber das war gewesen, bevor das hungrige Glas in ihr Leben gekommen war.
»Gib sie mir«, sagte er. Er hielt vor ihrem Karren an und streckte die Hand nach dem Beutel aus. »Sie gehört dir nicht und war niemals dein. Eines Tages wird dir der Gute Mann zweifellos dafür danken, dass du so gut darauf aufgepasst hast, aber jetzt musst du sie hergeben.«
Sie schrie – es war ein derart durchdringend schriller Laut, dass mehrere vaqueros ihre Blechtassen fallen ließen und die Hände auf die Ohren schlugen. Gleichzeitig schob sie die Hände durch die Schlaufe der Kordel und hob den Beutel über den Kopf. Darin schwang die gewölbte Form der Kugel hin und her wie ein Pendel.
»Niemals!«, heulte sie. »Lieber würde ich sie auf dem Boden zerschmettern, als sie einem wie dir gehen!«
Jonas bezweifelte, dass die Kugel zerschellen würde, wenn Rhea sie mit ihren kraftlosen Armen auf das niedergetrampelte, federnde Gras warf, aber er glaubte nicht, dass er die Gelegenheit bekäme, das herauszufinden, so oder so.
»Clay«, sagte er. »Zieh deine Waffe.«
Er musste Clay nicht ansehen, um zu wissen, dass dieser es sofort getan hatte; er sah ihren panischen Blick nach links, wo Clay auf seinem Pferd saß.
»Ich werde jetzt zählen«, sagte Jonas. »Nur kurz; wenn ich bei drei bin und sie den Beutel nicht übergeben hat, pustest du ihr den hässlichen Kopf weg.«
»Aye.«
»Eins«, sagte Jonas und sah zu, wie die Kugel in dem hochgehaltenen Beutel hin und her schwang. Sie leuchtete; er konnte das trübe Rosa sogar durch den Stoff erkennen. »Zwei. Viel Spaß in der Hölle, Rhea, lebe wohl. Dr…«
»Hier!«, schrie sie, hielt ihm den Beutel hin und schirmte mit dem gekrümmten Haken der rechten Hand ihr Gesicht ab. »Hier! Nimm sie! Und sie soll dich verdammen, wie sie mich verdammt hat!«
»Danke-sai.«
Er ergriff den Beutel unter der Zugschnur und riss ihn hoch. Rhea schrie wieder auf. Die Kordel hatte ihr die Knöchel aufgeschürft und einen Fingernagel abgerissen. Jonas hörte es kaum. Sein Verstand war eine einzige weiße Explosion des Hochgefühls. Zum ersten Mal in seinem langen Leben als bezahlter Revolverheld vergaß er seinen Beruf, seine Umgebung und die sechstausend Dinge, die Tag für Tag sein Tod sein konnten. Er hatte sie; er hatte sie; bei allen Gräbern aller Götter, er hatte die verfluchte Kugel!
Sie gehört mir!, dachte er, und das war alles. Irgendwie bezwang er den Drang, den Beutel aufzureißen und den Kopf hineinzustecken wie ein Pferd in einen Hafersack, und schlang die Kordel stattdessen zweimal um seinen Sattelknauf. Er holte so tief Luft, wie es
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