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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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oder wie man sie herbeigerufen hatte.
    Rhea hatte diese schnell wachsende Gruppe noch ein Stück weit nach Norden geführt und war dann nach Südwesten auf die alte Silk-Ranch-Straße abgebogen, die zur Stadt zurückführte. Am östlichen Rand von Hambry vereinigte sie sich mit der Großen Straße. Selbst in ihrem benommenen Zustand hatte Susan gemerkt, dass die Hexe langsam machte, stets den Stand der untergehenden Sonne vor Augen hatte und das Pony nicht etwa anspornte, sondern sogar zurückhielt, jedenfalls bis das goldene Licht des Nachmittags erlosch. Als sie an dem einsamen Farmer mit seinem verkniffenen Gesicht vorbeikamen, zweifellos ein guter Mann mit eigener Farm, auf der er vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahl hart arbeitete, und einer Familie, die er liebte (aber ach, da waren auch diese Lammschlächteraugen unter der Krempe seines verbeulten Huts), begriff sie auch, warum diese gemütliche Reisegeschwindigkeit angeschlagen worden war. Rhea hatte auf den Mond gewartet.
    Da sie keine Götter hatte, zu denen sie beten konnte, betete Susan zu ihrem Vater.
    Da’? Wenn du da bist, hilf mir, so stark zu sein, wie ich kann, und hilf mir, zu ihm zu stehen, zu seinem Andenken. Und hilf mir, zu mir zu stehen. Nicht um meiner Rettung, nicht um meiner Erlösung willen, sondern nur, um ihnen nicht die Befriedigung zu geben, meine Qual und meine Furcht zu sehen. Und ihm, hilf auch ihm…
    »Mach, dass er in Sicherheit ist«, flüsterte sie. »Beschütze meine Liebe; nimm meine Liebe wohlbehalten dorthin mit, wohin er geht, gib ihm Freude an allen, denen er begegnet, und mach ihn zu einem Anlass der Freude für alle, die ihm begegnen.«
    »Betest du, Liebchen?«, fragte die alte Frau, ohne sich umzudrehen. Falsches Mitgefühl troff aus ihrer Stimme. »Aye, du tust gut daran, deinen Frieden mit den Mächten zu machen, solange du es noch kannst – bevor dir die Spucke aus der Kehle gebrannt wird!« Sie warf den Kopf zurück und lachte, und die wirren Strähnen, die vom Strohbesen ihres Haars übrig geblieben waren, flogen orangerot im Licht des aufgeblähten Mondes.
     
     
    24
     
    Ihre Pferde waren, angeführt von Rusher, auf Rolands entsetzten Aufschrei hin herbeigeeilt. Sie standen nicht weit entfernt mit vom Wind gezausten Mähnen da, schüttelten den Kopf und wieherten voller Missfallen, wenn der Wind genug nachließ, dass sie einen Hauch des dicken weißen Rauchs mitbekamen, der aus dem Canyon aufstieg.
    Roland schenkte weder den Pferden noch dem Rauch Beachtung. Sein Blick war auf den Beutel gerichtet, der über Alains Schulter hing. Die Kugel im Inneren war wieder zum Leben erwacht; in der zunehmenden Dunkelheit schien der Beutel wie ein unheimliches rosa Glühwürmchen zu leuchten. Er streckte seine Hände danach aus.
    »Gib sie mir!«
    »Roland, ich weiß nicht, ob…«
    »Gib sie mir, verflucht sei dein Angesicht!«
    Alain sah Cuthbert an, der daraufhin nickte… und dann die Hände in einer resignierten Geste zum Himmel hob.
    Roland entriss Alain den Beutel, noch ehe dieser ihn richtig von der Schulter gestreift hatte. Der Revolvermann griff hinein und zog die Glaskugel heraus. Sie leuchtete hell, ein rosa Dämonenmond statt eines orangeroten.
    Hinter und unter ihnen schwoll das quengelnde Winseln der Schwachstelle an und ab, an und ab.
    »Sieh nicht in das Ding«, sagte Cuthbert murmelnd zu Alain. »Auf keinen Fall, um deines Vaters willen.«
    Roland beugte das Gesicht über die pulsierende Kugel, deren Leuchten ihm wie eine Flüssigkeit über die Wangen und die Stirn strömte und die Augen in ihrem blendenden Glanz ertränkte.
    In Maerlyns Regenbogen sah er sie – Susan, Tochter eines Herdenführers, liebreizendes Mädchen am Fenster. Er sah sie auf einem schwarzen, mit goldenen Symbolen verzierten Wagen stehen, dem Karren der alten Hexe. Reynolds ritt hinter ihr und hielt das Ende eines Stricks, den man ihr um den Hals geschlungen hatte. Der Karren rollte feierlich langsam dem Green-Heart-Park entgegen. Die Hill Street war von Leuten gesäumt, von denen der Farmer mit den Lammschlächteraugen nur der Erste gewesen war – alles Leute aus Hambry und Mejis, die um ihren Jahrmarkt gebracht worden waren und nun stattdessen diese uralte und finstere Attraktion geboten bekamen: Charyou-Baum, komm, Ernte, Tod für dich, Leben für unsere Saat.
    Ein lautloses Flüstern lief durch sie wie eine aufsteigende Welle, und sie bewarfen sie – zuerst mit Maishülsen, dann mit verfaulten Tomaten, dann mit Kartoffeln

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