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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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und Äpfeln. Ein Apfel traf sie an der Wange. Sie wankte, wäre fast gefallen, dann stand sie wieder aufrecht da und hob das geschwollene, aber immer noch liebreizende Gesicht, sodass der Mond es bemalte. Sie sah starr geradeaus.
    »Charyou-Baum«, flüsterten sie. Roland konnte sie nicht hören, aber er konnte das Wort von ihren Lippen ablesen. Stanley Ruiz war da, Pettie und Gert Moggins und Frank Claypool, der Hilfssheriff mit dem gebrochenen Bein; Jamie McCann, der dieses Jahr der Erntejüngling hätte sein sollen. Roland sah hundert Leute, die er während seines Aufenthalts in Mejis kennen gelernt (und zum größten Teil gemocht) hatte. Nun bewarfen diese Leute seine Liebste mit Maishülsen und Gemüse, während diese mit vor dem Körper gefesselten Händen hinten auf Rheas Karren stand.
    Der Wagen, der langsam dahinrollte, erreichte den Green Heart mit seinen bunten Lampions und dem stummen Karussell, wo keine lachenden Kinder fuhren… nein, nicht dieses Jahr. Die Menge, die immer noch diese beiden Wörter flüsterte – skandierte, wie es nun aussah –, teilte sich. Roland sah das aufgeschichtete Holz für das Freudenfeuer. Um den Stapel herum saßen ringförmig Strohpuppen mit roten Händen und ausgestreckten Beinen. Eine einzige Lücke klaffte in ihrem Ring; ein einziger freier Platz.
    Und nun trat eine Frau aus der Menge. Sie trug ein schwarzes Kleid und hielt in der einen Hand einen Eimer. Ein Aschemal verunzierte ihre Wange wie ein Brandzeichen. Sie…
    Roland schrie. Es war ein einzelnes Wort, immer und immer wieder: Nein, nein, nein, nein, nein, nein! Das rosa Licht der Kugel blitzte bei jeder Wiederholung heller auf, als würde sie frische Kraft aus seinem Grauen ziehen. Und nun konnten Cuthbert und Alain bei jedem Pulsieren den Schädel des Revolvermanns unter der Haut sehen.
    »Wir müssen sie ihm wegnehmen«, sagte Alain. »Wir müssen, sie saugt ihn aus. Sie bringt ihn um!«
    Cuthbert nickte und machte einen Schritt vorwärts. Er packte die Kugel, konnte sie Roland aber nicht aus den Händen reißen. Die Finger des Revolvermanns schienen damit verschmolzen zu sein.
    »Schlag ihn!«, sagte er zu Alain. »Schlag ihn wie schon einmal, es muss sein!«
    Aber Alain hätte ebenso gut einen Baumstamm schlagen können. Roland schwankte nicht einmal auf den Absätzen. Er schrie weiterhin diese einzelne Negation – »Nein! Nein! Nein! Nein!« –, und die Kugel blitzte immer schneller und schneller auf, fraß sich durch die Wunde, die sie gerissen hatte, in ihn hinein und saugte seinen Kummer auf wie Blut.
     
     
    25
     
    »Charyou-Baum!«, rief Cordelia Delgado und lief von der Stelle los, wo sie gewartet hatte. Die Menge jubelte ihr zu, und über ihrer linken Schulter blinzelte der Dämonenmond verschwörerisch. »Charyou-Baum, du treuloses Flittchen! Charyou-Baum!«
    Sie schüttete den Eimer in Richtung ihrer Nichte, und die Farbe sprenkelte deren Jeans und überzog Susans Hände mit einem Paar nasser, scharlachroter Handschuhe. Cordelia grinste zu Susan hoch, während der Karren vorüberrollte. Das Aschemal hob sich deutlich von ihrer Wange ab; in der Mitte der blassen Stirn pulsierte eine einzelne Ader wie ein Wurm.
    »Flittchen!«, kreischte Cordelia. Ihre Fäuste waren geballt; sie führte eine Art ausgelassenen Freudentanz auf, warf die Füße in die Luft, schlenkerte die Beine unter ihrem Rock. »Leben für die Saat! Tod für das Flittchen! Charyou-Baum! Komm, Ernte!«
    Der Karren rollte an ihr vorbei; Cordelia verschwand aus Susans Blickfeld wie ein weiteres grausames Phantom in einem Albtraum, der bald zu Ende gehen würde. Vogel und Bär und Fisch und Hase, dachte sie. Sei wohlbehütet auf deinen Wegen, Roland; geh mit meiner Liebe. Das ist mein sehnlichster Wunsch.
    »Holt sie!«, schrie Rhea. »Nehmt dieses mörderische Flittchen, und röstet sie mit roten Händen! Charyou-Baum!«
    »Charyou-Baum!«, wiederholte die Menge. Ein ganzer Wald bereitwilliger Hände wurde im Mondschein ausgestreckt; irgendwo knatterten Kracher, und Kinder lachten aufgeregt.
    Susan wurde vom Karren gehoben und von den hochgestreckten Händen weitergereicht wie eine Heldin, die siegreich aus dem Krieg heimgekehrt war. Von ihren Händen tropften rote Tränen auf die verzerrten, gierigen Gesichter. Der Mond schaute auf alles herab und erstickte den Glanz der Lampions.
    »Vogel und Bär und Fisch und Hase«, murmelte sie, als sie heruntergelassen und gegen die Pyramide aus trockenem Holz gedrückt wurde – an die

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