Der Dunkle Turm 4 - Glas
Lächeln zustande. Das Zittern in seinem Mundwinkel hatte aufgehört, und das war immerhin etwas.
»Mir geht es gut«, sagte er. »Aber hört mich wohl an: Wir sind sehr nahe am Ende von Mittwelt und sehr nahe am Anfang von Endwelt. Die erste große Etappe unserer großen Suche ist zu Ende. Wir haben es gut gemacht; wir haben das Angesicht unserer Väter nicht vergessen; wir haben standhaft zusammengestanden und waren wahrhaftig zueinander. Aber nun sind wir zu einer Schwachstelle gelangt. Wir müssen sehr vorsichtig sein.«
»Einer Schwachstelle?«, sagte Jake und sah sich unruhig um.
»Stellen, wo das Gewebe der Existenz fast völlig abgenutzt ist. Es werden immer mehr, da die Macht des Dunklen Turms nachlässt. Erinnert ihr euch, was wir unter uns gesehen haben, als wir Lud verlassen haben?«
Sie nickten ernst und dachten an den Boden, der zu schwarzem Glas geschmolzen war, an uralte Leitungen, in denen türkisfarbenes Hexenlicht leuchtete, an missgestaltete, verkrüppelte Vögel mit Schwingen wie große Segel aus Leder. Roland konnte es plötzlich nicht mehr ertragen, dass sie so um ihn herumstanden und auf ihn herabsahen wie Leute um einen Raufbold, der bei einer Kneipenschlägerei gestürzt war.
Er hob die Hände zu seinen Freunden – seinen neuen Freunden. Eddie ergriff sie und half ihm auf die Füße. Der Revolvermann konzentrierte seine ganze Willenskraft darauf, nicht zu schwanken, und stand schließlich aufrecht da.
»Wer war Susan?«, fragte Susannah. Die Falte in der Mitte ihrer Stirn deutete darauf hin, dass sie beunruhigt war, und zwar nicht nur durch eine zufällige Ähnlichkeit der Namen.
Roland sah sie an, dann Eddie, dann Jake, der sich hingekniet hatte, damit er Oy hinter den Ohren kraulen konnte.
»Ich werde es euch erzählen«, sagte er, »aber dies ist weder der Ort noch die Zeit.«
»Das sagst du immer wieder«, antwortete Susannah. »Du hältst uns nicht wieder nur hin, oder?«
Roland schüttelte den Kopf. »Ihr werdet meine Geschichte hören – wenigstens den dies betreffenden Teil davon –, aber nicht auf diesem Kadaver aus Metall.«
»Ja«, sagte Jake. »Hier oben zu sein ist, als würde man auf einem toten Dinosaurier spielen oder so. Ich denke immer, Blaine könnte jeden Moment wieder zum Leben erwachen und anfangen, ich weiß auch nicht, wieder seinen Unsinn mit unseren Köpfen zu treiben.«
»Das Geräusch ist weg«, sagte Eddie. »Dieses Ding, das sich wie ein Wah-Wah-Pedal angehört hat.«
»Mich hat es an einen alten Burschen erinnert, den ich öfter im Central Park gesehen habe«, sagte Jake.
»Den Mann mit der Säge?«, fragte Susannah. Jake sah sie mit vor Überraschung geweiteten Augen an, worauf sie nickte. »Nur war er nicht alt, als ich ihn gesehen habe. Nicht nur die Geografie ist hier durcheinander. Das mit den Zeiten ist auch merkwürdig.«
Eddie legte ihr einen Arm um die Schulter und drückte sie kurz. »Amen.«
Susannah drehte sich zu Roland um. Der Blick war nicht vorwurfsvoll, aber ihre Augen drückten eine derart gelassene und unverhohlene Einschätzung aus, dass der Revolvermann sie fast gegen seinen Willen bewunderte. »Ich werde dich an dein Versprechen erinnern, Roland. Ich möchte etwas über dieses Mädchen wissen, das meinen Namen trägt.«
»Du wirst es hören«, wiederholte Roland. »Aber verschwinden wir jetzt erst mal vom Rücken dieses Ungeheuers.«
3
Das war leichter gesagt als getan. Blaine war leicht schräg in einer Freiluftversion der Krippe von Lud zum Stillstand gekommen (eine wüste Spur zerfetzten rosa Metalls lag auf der einen Seite davon und markierte das Ende von Blaines letzter Fahrt), und es waren gut acht Meter vom Dach des Baronswagens bis zum Beton unten. Falls es eine Leiter zum Absteigen gab wie die, die so zweckdienlich aus dem Notausgang heruntergeklappt war, musste sie beim Aufprall eingeklemmt worden sein.
Roland legte die Tasche ab, kramte darin herum und holte schließlich die Wildledertrage heraus, mit dem sie Susannah getragen hatten, wenn das Gelände zu uneben für den Rollstuhl gewesen war. Wenigstens um den Rollstuhl mussten sie sich keine Gedanken mehr machen, überlegte der Revolvermann; sie hatten ihn bei der wilden Jagd, als sie Blaine hatten erreichen wollen, einfach im Stich gelassen.
»Was willst du damit?«, fragte Susannah trotzig. Sie hörte sich immer trotzig an, wenn das Tragegeschirr ins Spiel kam. Ich hasse die blassn Wichser unten in Miss’ippi mehr als die Trage du, hatte
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